Vernachlässigte Kinder gibt es auch in Haaner Familien

Fünf Sozialarbeiter haben das Wohl von Kindern und Jugendlichen in der Stadt im Blick.

Haan. In zwei Wochen beginnt vor dem Wuppertaler Landgericht der Prozess um den Tod des Pflegekindes Talea. Dessen Pflegemutter ist angeklagt, das fünfjährige Mädchen im März dieses Jahres in ihrer Wohnung getötet zu haben. Nach dem Tod des Kindes gab es massive Kritik am Wuppertaler Jugendamt. Die Öffentlichkeit vermutete strafrechtliche relevante Schlamperei. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiterinnen wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen wurde jedoch eingestellt - der Vorwurf ließ sich nicht beweisen.

In Haan hat es einen solchen Fall noch nicht gegeben. Verhindern ließe er sich wohl nicht, meint Jugendamtsleiterin Elke Fischer. Sie sagt: "Vernachlässigung wird der Bezirkssozialdienst trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht verhindern können."

Dabei gehen die fünf Mitarbeiterinnen - eine Stelle konnte nach mehr als einem Jahr Vakanz wieder besetzt werden - des Bezirkssozialdienstes, die sich vier Vollzeitstellen teilen, jedem gemeldeten Fall nach. Fischer: "Wir lassen alles stehen und liegen, wenn uns ein möglicher Fall von Verwahrlosung gemeldet wird."

Um zehn Prozent ist die Zahl der Anzeigen im Vergleich zum Vorjahr beim Jugendamt gestiegen. "Früher erhielten wir vor allem von den Schulen und Kindergärten Hinweise." Inzwischen würden auch immer öfter Freunde betroffener Familie oder Nachbarn zum Telefon greifen. "Es geht ihnen nicht darum, zu denunzieren, sondern tatsächlich um das Wohl des betroffenen Kindes", sagt Fischer.

Überhaupt stehen Kinder und Jugendliche immer im Mittelpunkt der Arbeit des Bezirkssozialdienstes. Dessen Mitarbeiter werden auch aktiv, wenn Kinder nicht zur Schule gehen wollen, sie straffällig oder geschlagen werden oder mit der Trennung der Eltern nicht zurecht kommen. 60 Fälle betreut jeder Haaner Sozialarbeiter. "Guter Durchschnitt", sagt Elke Fischer mit Blick auf die Zahlen in anderen Kreisstädten.

In fünf Bezirke hat das Jugendamt das Stadtgebiet aufgeteilt. Jeder Bezirk wird von einem Sozialarbeiter betreut, er ist dort auch der zuständige Ansprechpartner. Fischer: "Das hat sich bewährt."

Bezirk 1 umfasst vor allem Gruiten und einen Teil der Elberfelder Straße zwischen Ellscheid und Nordstraße. Jugendliche aus intakten Elternhäusern und viele allein erziehende Mütter benötigen dort kurze Beratungen und Kriseninterventionen durch die Sozialarbeiter.

Brisante Jugendhilfefälle müssen immer wieder im Bezirk 2, in Haan-Ost, bearbeitet werden. Arbeitslosigkeit, überschuldete Familien, junge Mütter und sehr aggressive Neun- bis Elfjährige brauchen dort Hilfe und Beratung. Einen Querschnitt durch alle Aufgaben bestimmt die Arbeit in Bezirk 3 von der Alleestraße bis zum Tannenwäldchen.

Auch Unterhaan (Bezirk 4) sei sehr heterogen im Gegensatz zum Nachbarsberg, "wo Familien mit einem höheren Bildungsniveau ihre Probleme sehr konfliktreich austragen", sagt Fischer. "Auch die brauchen Unterstützung."

In wöchentlichen Teambesprechungen gehen die Sozialarbeiter ihre Fälle durch. Müssen sie behördliche Maßnahmen treffen und begleiten, zum Beispiel ein Kind aus einer Familie holen, arbeiten sie zu zweit. "Aber die Mitarbeiter können noch so qualifiziert sein, dramatische Entwicklungen können auch sie nicht immer verhindern", sagt Fischer mit Blick auf den Fall Talea in Wuppertal. "Wir können den Menschen immer nur vor den Kopf schauen", sagt sie. Und: "Die Mitarbeiter müssen sofort entscheiden, ob das Kind zum Beispiel noch in der Familie bleiben kann oder herausgenommen werden muss.