Der Arzt und Silben-Schmied

Matthias Herrmann spielt mit Sprache und will die literarische Gattung „Gedicht“ retten.

Mettmann. Er ist ein Wort-Schöpfer und Buchstaben-Architekt, ein Silben-Schmied und Lautmaler, ein Geschichtenerzähler und Dichter.

Schreiben ist ihm ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken. "Ich halte es nicht lange aus, ohne zu schreiben", sagt Matthias Herrmann aus Mettmann, 38 Jahre alt, Arzt.

Am kommenden Samstag wird er auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des August von Goethe Literaturverlags aus seinem Gedichtband "Familienprojekt" und aus seiner Kurzgeschichtensammlung "Zentralnervöses Allerlei" lesen.

Geschrieben hat Matthias Herrmann schon als Jugendlicher. Kurzgeschichten und Theaterstücke. "Es wurde nie was aufgeführt." Zurzeit arbeitet er an einem Gedichtband, an einem Theaterstück und an einem Kinderbuch, einer Auftragsarbeit seiner Tochter Amelie (7). Sieben Geschichts- und Gedichtbändchen hat Herrmann in diesem Jahr veröffentlicht. Er ist ein fleißiger Autor.

"Als Arzt genieße ich den Luxus, Mittwoch- und Freitagnachmittag frei zu haben." Zeit fürs Schreiben. "Doch erst, wenn ich meine Töchter Amelie und Holly bespaßt habe, mit dem Hund vor der Tür war und alle Einkäufe erledigt habe." Dann zieht er sich von der Familie zurück, sitzt am Rechner und dichtet, textet, kreiert und malt Wortbilder. Für Matthias Herrmann ist das Gedicht die beste literarische Form, um mit Sprache zu arbeiten, zu experimentieren, zu spielen, sie zu zerlegen, zu formen und Bilder zu entwerfen.

Ideen für seine Texte findet er beim Spielen mit seinen Kindern, in der Praxis, beim Autofahren mit der Familie, beim Einkaufen - überall. In eine kleine China-Kladde, die er immer in der Tasche hat, notiert er, was er für die Literatur gebrauchen kann. Herrmann: "Der größte Wortwitz ergibt sich aus dem Alltag." Das Alltägliche packt er in lyrische Melodien: "Vermassel das Puzzle und hassel hinfort, verpuzzle das Massel und dazzle vor Ort .."

In Texten und Collagen, die Herrmann entwirft, muss der Inhalt nicht immer wichtig sein. Lyrik soll auch von der Inszenierung leben. "Gedichte sind Momentaufnahmen von Klang, Rhythmus und Wort. Ich sollte mehr Lesungen machen", meint Herrmann. Sprache bleibt nicht länger nur ein Transportmittel von Nachrichten, sondern wird zum eigentlichen Gegenstand der Dichtung.

Wie Kinder, die Worte verdrehen, neu erfinden und dabei eine eigene Lautmelodie entwickeln, liebt Herrmann es, Sprache bis zur Unkenntlichkeit und Unverständlichkeit zu skelettieren. "Pisakrieren sie den Lungenlink, sonst opiskopieren sie die Dragnsflügel!" So beginnt das Gedicht "Am Ende alles Salze!" Alles klar? "Diese Sachen fallen mir einfach so zu. Manchmal gefällt es und amüsiert die Leute, manchmal schaue ich nur in fragende Gesichter."

Gedichte müssen Emotionen hervorrufen, müssen bewegen, kraftvoll, klangvoll und expressiv sein, sagt Herrmann. Maxime, nach denen er dichtet und die er in der zeitgenössischen deutschen Lyrik so sehr vermisst. "Viele Gedichte finde ich weder emotional noch witzig." Weshalb er angetreten ist, die literarische Gattung Gedicht zu retten. Aber nicht, um berühmt, "bestenfalls, um berüchtigt zu werden", grinst er. Ironie ist für Herrmann nicht nur ein literarischer Weggefährte.

Neben dem Spaß an der sprachlichen Anarchie und der lyrischen Spaßliteratur, hat Herrmann in dem Gedichtband "Schandspur!" auch "was Richtiges gedichtet". "Diesmal habe ich mir Mühe gegeben, richtige Gedichte zu schreiben. Keine Wortspiele, keine Persiflagen, keine konkrete Poesie. Hier ist Schmerz, Depression, Verzweiflung und Einsamkeit enthalten", schreibt er im Vorwort der Gedichtsammlung.

Die große literarische Gattung Roman ist für Herrmann kein Thema. "Ich werde niemals besser als John Steinbeck. Deshalb werde ich einen Teufel tun, es zu versuchen." Der größte Dichter aller Zeiten ist für ihn Dylan Thomas. "Es gibt keinen Größeren."