Aufregung bei Landwirten Wolfsichtung am Stinderbachtal

Kreis Mettmann · Erst wurde ein Wolf am Unterbacher See gesichtet, nun gibt es Videoaufnahmen aus Mettmann. Die Untere Naturschutzbehörde geht davon aus, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Wolf handelt. Was die Landwirte besorgt – und was Experten nun raten.

Dieser Screenshot aus einem Video zeigt den mutmaßlichen Wolf auf der Umgehungsstraße in Mettmann.

Foto: Frank Sicking

Erst am Mittwoch hat Julius Briem vom Gut Heuschenhof seine Rinder und Schafe nach dem Winter auf die Weide im Naturschutzgebiet Stinderbachtal gelassen. Und nur drei Tage später muss er sie schon wieder mit Mühe und viel Unterstützung zurück zum Stall bringen, wo sie dann vorerst bleiben. Der Grund: die Wolfsichtung auf der Stadtgrenze Erkrath/Mettmann.

Am Donnerstagabend gab es auf der Umgehungsstraße Mettmann West eine Wolfssichtung. Mehrere Leser haben sich bereits gemeldet, das Tier wurde auch gefilmt, wie es über die Straße Richtung Laubacher Feld in Höhe Road Stop und McDonalds lief, dann aber – mutmaßlich geblendet durch das Licht des Wagens – wieder zurück auf das Feld im Stinderbachtal läuft. Das Video liegt der Redaktion vor und auch die Untere Naturschutzbehörde des Kreises hat Kenntnis davon, wie eine Kreissprecherin auf Nachfrage bestätigt. „Die Untere Naturschutzbehörde hält es für echt und geht davon aus, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Wolf handelt“, so die Kreissprecherin.

Briem und seine Landwirtekollegen sind jetzt in hellem Aufruhr, haben Sorge, dass der Wolf eines ihrer Tiere reißen könnte. Rund 40 Rinder und 50 Schafe und Lämmer hat Briem. Sie weiden eigentlich vom Frühjahr bis Herbst Tag und Nacht draußen. Zusätzlich gehören noch 45 Pensionspferde zu seinem Betrieb, die aber nachts im Stall sind. Rinder und Schafe müssen nun zurück in den Stall, sprich, sie müssen zuerst wieder eingepfercht und dann aufgeladen werden. „Das bedeutet unheimlichen Stress für die Tiere, aber auch für die Menschen“, so der Landwirt. Denn gerade sind die Wiesen natürlich schön saftig, da wollen die Tiere nicht direkt wieder weg.

„Das Problem ist nicht nur, dass der Wolf ein Tier reißt, sondern dass er dann auch den Rest aufschreckt und die Tiere auf die A3 laufen“, beschreibt Briem seine Sorge. Ganz genau habe er in den vergangenen Tagen schon die Bekanntgabe der Wolfsichtungen verfolgt – erst am vor einem Tag wurde der Wolf in der Gegend Unterbacher See gesichtet. „Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass das häufiger passiert. Aber ich dachte erst, dass das uns in drei bis vier Jahren betrifft. Ich bin erschrocken, wie schnell sich das entwickelt hat“, so Briem.

Julius Briem ist beunruhigt und bringt seine Schafherde zurück in den Stall.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Viele Möglichkeiten, seine Tiere zu schützen, hat der Bauer allerdings nicht durch das bergige Gelände. Über 1,50 Meter hohe Zäune könne der Wolf dank der Topografie ohne Weiteres überspringen. Eine Einzäunung des Geländes wäre zudem auch für andere, kleinere Wildtiere lebensbedrohlich, weil sich diese im Zaun verfangen und qualvoll verenden würden. Sollten Wolfssichtungen zunehmen, befürchtet er, dass die Flächenbewirtung abnehmen werden. Mit seinen Tieren trägt er zum Beispiel zur Pflege auf der von ihm gepachteten Flächen bei. Anders könne man diese Flächen nicht nutzen.

In Sorge sind auch weitere Landwirte im Umkreis. „Das ist wirklich schrecklich“, beschreibt es Margareta Breloh, deren Sohn Helge das Gut Holterhof in Hilden betreibt. Dieser liegt Luftlinie nicht weit von der Stelle entfernt, an der der Wolf erstmals gesichtet wurde. Familie Breloh hat eine Ziege mit Drillingen im Außengelände laufen, außerdem Laufenten und weiteres Geflügel, „und seit drei Jahren gibt es hier auch ein Reh“, berichtet Margareta Breloh. Die Landwirte untereinander sind gut vernetzt, alle kennen die kursierenden Videos des Tieres. „Das ist wirklich ein sehr Großer“, erklärt sie. Gegen den Wolf vorgehen darf Helge Breloh trotz Jagdschein nicht, „man darf ihn lediglich verscheuchen“, beschreibt er. Helge Breloh macht sich nicht nur Sorgen um Tiere, sondern auch um Menschen. „Einen großen Mann wie mich würde er vielleicht nicht angreifen. Aber meine Tochter würde ich ihn den frühen Morgenstunden nicht allein zum Joggen lassen“, berichtet er. Er sagt: „Da muss wohl erst etwas passieren, bevor das Jagdrecht verändert wird.“

Landwirt Helge Breloh aus Hilden musste gerade erst verkraften, dass Unbekannte sein Heu angezündet haben. Jetzt sorgt er sich nach den Wolfsichtungen um seine Tiere.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Landwirt Georg Mues bewirtschaftet das Feld, auf dem der Wolf unterwegs war. Nahe des Radwegs, der zum Unterbacher See führt, gebe es den Eselsbach und daneben besagtes Feld in Erkrath-Unterfeldhaus. Dort wurde der Wolf gesehen. Mues hält hobbymäßig neun Ziegen, außerdem stehen 60 Pferde in seinem Stall und auf seinen Wiesen. „Die Pferdewiesen sind aber näher am Haus.“ Um die Pferde mache er sich weniger Sorgen. „Ob allerdings ein Wolf wirklich Angst vor ihnen hat, ist schwer einzuschätzen. Dafür ist das Thema hier in der Region zu neu.“ Es gelte, nicht in Panik zu verfallen, sondern vernünftig mit dem Thema umzugehen. „Wir haben das Thema offen gegenüber den Einstallern kommuniziert, möchten aber auch keine Panik verbreiten.“ Einstaller hätten im weiteren Verlauf der Nacht berichtet, den Wolf in Hochdahl gesehen zu haben. Zuvor sei der Wolf aber durchaus auch näher an Häuser gekommen, so an den Resthof neben dem Mues-Hof.

Thomas Bangert ist Presse-Obmann des Hegerings Düsseldorf. Auch er hat den Wolf auf Videos gesehen und zeichnet ein differenziertes Bild. „Ich selbst spreche aus Sicht eines Jägers, der auch viel mit Schafs- und Hühnerhaltung zu tun hat“, erklärt er. „Ich habe mit sehr vielen Menschen Gespräche zu diesem Thema geführt. Festzustellen ist, dass viele sehr euphorisch reagieren und sich über die Rückkehr des Wolfes freuen. Wer aber nicht im innerstädtischen Bereich, sondern weiter draußen wohnt und mit dem Wolf leben muss, sieht die Sache skeptischer.“ Er selbst wolle dem Wolf nichts Böses, sagt aber deutlich: „Wir müssen wissen, was es bedeutet, wenn bei uns Wölfe leben. Wir müssen wissen, welche Wolfsmaßnahmen wirken und mit welchen Kosten diese verbunden sind.“ Denn ein einfacher Zaun sei für diese Tiere keinerlei Hindernis. „Ich kann Ihnen sagen, dass wir in Düsseldorf und Umgebung überhaupt nicht auf Wölfe eingerichtet sind und nicht über die entsprechenden Schutzmaßnahmen verfügen.“

Es stelle sich die Frage, ob es sich um ein einzelnes Tier handele oder mehrere unterwegs sind. „Ich habe von der anderen Rheinseite von mehreren Wolfsichtungen gehört. Das klingt eher danach, dass es mehrere Tiere sind“, erzählt Bangert aus dem Raum Dormagen. Er erklärt: „Wölfe sind sehr intelligent. So werden sie auch schnell herausfinden, dass vom Menschen keine Gefahr ausgeht und ihre Distanz zu uns wird sich immer mehr verringern.“

Thomas Bangert rät: Abgesehen von Landwirten mit ihrem Vieh sollten Menschen mit Hunden vorsichtig sein. „Der Hund ist dem Wolf eindeutig unterlegen. Es gibt Fälle, in denen auch Jagdhunde von Wölfen getötet wurden.“ Er erklärt: „Es kommt auf die Populationsdichte an.“ Schon jetzt habe Deutschland eine höhere Populationsdichte als Schweden und Norwegen zusammen – Länder, die schon länger mit dem Wolf leben, aber eben auch mit weniger Tieren. „Der Wolf hat keine natürlichen Feinde und wird sich weiter ausbreiten, und dann steigt die Gefahr.“ Da der Wolf nicht dem Jagdrecht unterliegt, darf er nicht getötet werden.