Bekloppt sein macht glücklich - Dieter Nuhr live

Der Kabarettist philosophierte in vollen Hallen über menschliche Ängste und Beziehungen.

Ratingen. Keine Plakate, keine Werbung — und dennoch ratzfatz ausverkauft. Auch für den spontan angehängten Zusatztermin gab es nach wenigen Tagen keine Tickets mehr: Bei seinem „Heimspiel“ bespaßte Dieter Nuhr jetzt an zwei Abenden hintereinander jeweils 1000 Leute in der restlos ausverkauften Dumeklemmerhalle. Schon eineinhalb Stunden vor Beginn des aktuellen Programms ging nichts mehr rund um die Stadthalle: Parkplätze waren so begehrt und rar wie die Eintrittskarten.

„Nuhr unter uns“ lautet sein aktuelles Programm, bei dem sich Nuhr auf der schmucklosen Bühne gut zwei Stunden lang unangestrengt, witzig und hintersinnig über Gott und die Welt ausließ. Inzwischen zollt er auch den neuen Medien, über die er immer noch gerne herzieht, seinen Tribut: Statt im Ringbuch „blätterte“ er modern im Tablet-PC, der auf einem Ständer wie eine vergessene Deko auf der Bühne wirkte.

Ob Griechenland, Euro-Krise, Überbevölkerung, Abendland, Klimawandel oder die von mannigfachen Ängsten geplagten Menschen — Nuhr philosphierte sich charmant und lässig durch sein riesiges Themenpotpourri. Er klärte auf, wovor sich Menschen alles fürchten: Anatidaephobie beispielsweise — die Angst, von Enten angestarrt zu werden. Oder Arachibutyrophobie, bei der die Betroffenen fürchten, Erdnussbutter könnte am Gaumen kleben bleiben — „gibt’s wirklich“, versicherte Nuhr, der gleich das passendes Zwischenfazit zog: „Bekloppt sein macht glücklich, aber offenbar will keiner bekloppt sein.“

Bei all seinem Erfolg sei er aber bescheiden geblieben, verriet der studierte Pädagoge. Grund: Der Papst habe noch mehr Zuschauer. „Der füllt in Berlin locker das Olympiastadion — mit einem 2000 Jahre alten Programm.“

Mit seinen locker verknüpften Assoziationsketten erläuterte Nuhr das Liebesleben der kalifornischen Winkerkrabbe und erklärte, warum die Rotbauchunke bedroht ist und dass Chinesen nicht Latte macchiato trinken dürfen — wegen des Klimaschutzes: Für diese Milchmengen bräuchte man riesige Weiden und Millionen von Methangas furzenden Kühen . . .

Zu Höchstform lief Nuhr auf, als es um heutige Teenager ging. „Sagen Sie mal einem 15-Jährigen, dass Sie in seinem Alter kein Handy hatten!“ Wie hat man sich früher getroffen? „Wir hatten Uhren und Orte. Und es gab Telefonzellen — das waren Handys zum Reinsteigen.“ Köstlich auch die Exkurse in die TV-Welt (als früher „Der Kommissar“ schon am Morgen Cognac trank oder heute „Assis gucken, wie Assis andere Assis spielen“) oder zum Thema Hygiene: Frauen trommeln all ihre Freundinnen zusammen, um sich stundenlang über die neue Pflegecremeserie auszutauschen. Männer lieben dagegen kurze Dialoge: „Du stinkst!“ — „Echt?“ Nach gut zwei Stunden Feuerwerk von Gags und Pointen entließ Nuhr sein Publikum mit der Botschaft des Abends: „Entspannen Sie sich!“