Ratingen Ankommen und Bleiben in Ratingen

Ratingen · Das Netzwerk Weltfriedenstag besuchte Menschen, die 2015 aus fremden Ländern in die Dumeklemmerstadt kamen und fragte sie, wie sich ihr Leben entwickelt hat. Das Ergebnis wurde in kleinen Filmen festgehalten.

Jürgen Lindemann, Frank Schulte, Klaus Pesch und Rudolf Schmidt (v.l.) stellen Geflüchtete vor, die in Ratingen heimisch geworden sind.

Foto: Fries, Stefan (frs)/Fries

. Im Jahr 2015 kamen Menschen aller Herren Länder nach Deutschland, um Zuflucht zu finden. Auch in Ratingen wurden Hunderte Personen aufgenommen. Das Netzwerk Weltfriedenstag wollte nun wissen, was aus den Menschen geworden ist und ob sie in Ratingen wirklich ihre zweite Heimat fanden.

„Wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen unterschiedlichster Gruppen“, beschreibt Jürgen Lindemann die Zusammensetzung des Netzwerks, das aus Vertretern aus der Politik, Kirchengemeinden, Naturschützern, Unternehmern, Ärzten und weiterer Organisationen besteht. Gemeinsam stellen sie seit 1990 jedes Jahr zum Weltfriedenstag eine Veranstaltung auf die Beine. Die Idee für die diesjährige Veranstaltung war schnell gefunden.

„Ein Zeitungsartikel über den 2014 aus Syrien geflohenen Archid Al Nouri, der ein Geschäft in Ratingen eröffnet hat, hat uns auf die Idee gebracht, die Veranstaltung 2021 mit den Menschen zu machen, die um das Jahr 2015 nach Deutschland geflüchtet sind und hier inzwischen Fuß gefasst haben“, erzählt Rudolf Schmidt.

Fremde bedeuten auch einen
Zuzug von Werten

Helga Kutish will als Künstlerin durchstarten.

Foto: Achim Blazy (abz)

„Geflüchtete werden oft als Fremde gesehen. Dass diese Menschen auch einen Zuzug von Werten bedeuten, gerät oft in Vergessenheit“, findet Schmidt. Lange vor ihrer Flucht hätten sich die Menschen beruflich und persönlich entfaltet. Diese Kompetenzen bringen sie mit. „Wir wollten mit den Videos den Wertzuwachs für Ratingen herausstellen“, so Schmidt. „Vielfalt macht den Reichtum einer Gemeinde aus.“

Archid Al Nouri eröffnete ein Feinkostgeschäft auf der Poststraße.

Foto: Achim Blazy (abz)

Lindemann pflichtet ihm bei: „Viele Menschen kamen nach schweren Schicksalsschlägen hierher. Es ist wichtig, dass sie sich in Ratingen wohlfühlen und die Stadt als zweite Heimat empfinden.“

Bürgermeister Klaus Konrad Pesch erinnert sich noch gut an das Jahr 2015. „Die Welle kam für alle überraschend. Wir waren in Ratingen sehr besorgt, ob sich Proteste formieren würden. Am Ende kam es aber ganz anders.“ Religions- und fraktionsübergreifend bildete sich eine außerordentliche Hilfsbereitschaft aus. „Wir wollten die Menschen nicht nur unterbringen, sondern willkommen heißen“, so Pesch. „Wir haben alles unternommen, um Ratingen zu einer zweiten Heimat zu machen, von der Überwindung von bürokratischen Hürden bis zur Eingliederung in den Alltag.“

Heute sei es schön zu sehen, wie die Menschen sich eingelebt haben und nicht nur Teil der Gesellschaft geworden sind, sondern auch neue Impulse eingebracht haben. Diese Vielfalt stelle eine gewisse Form von Reichtum dar, so Pesch. Froh über das Thema der Veranstaltung sagte er zu, die Vorstellung der Filme zu begleiten.

Pfarrer Frank Schulte, für den das Jahr 2015 noch sehr präsent ist, nachdem sich die evangelische Kirchengemeinde sofort aktiv in die Flüchtlingshilfe eingebracht hatte, war begeistert von der Idee und suchte nun nach einer Möglichkeit, diese coronakonform umzusetzen. Seine Wahl fiel auf Youtube-Videos, aufgenommen mit dem Smartphone. Gesprächspartner waren am Ende schnell gefunden.

Fünf Geflüchtete erzählen in Kurzfilmen, wie sie in Ratingen Fuß gefasst haben und welchen Perspektiven sie entgegensehen. Darunter Ramsi Ouso. Der Syrer ist heute Elektriker, liebäugelt aber immer noch mit einer Rückkehr in sein Heimatland. Hela Kutish, ebenfalls aus Syrien, arbeitet inzwischen als freischaffende Künstlerin und engagiert sich im Integrationsrat. Ihr Landsmann Archid Al Nouri hat vor rund einem Jahr, mitten in der Coronakrise, einen Feinkostladen an der Poststraße eröffnet. Goitom Mensteask stammt aus Eritrea absolviert derzeit eine Ausbildung in der Metallverarbeitung. Samer Al Ali aus dem Libanon arbeitet heute als examinierte Altenpflegerin.

Auch Ratinger, die geholfen haben, kommen zu Wort

Zu Wort kommen auch vier Ratinger, die Geflüchtete auf ihrem Weg begeleitet haben. Angelika Büchner brachte Geflüchteten die deutsche Sprache nahe und unterstützte sie bei Fragen des täglichen Lebens. Ebenso Manfred Evers und Andrea Laumen. Martin Barweg bot in seiner Firma Praktika an. Alle Gesprächspartner des Netzwerks werden bei der Vorstellung der Filme am 30. September in der Stadtkirche anwesend sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Die Kurzfilme sind auch auf Youtube unter dem Stichwort „Stadtkirchenengel“ abrufbar. Am Ende sind alle Beteiligten begeistert von „starken, entschlossenen Persönlichkeiten“, die sich ihnen geöffnet haben. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.