Doch, es lebt sich gut hier!

Das Jahr in Israel beginnt für Wolf Keil staubig und heiß. Die Zuneigung kommt später.

Wülfrath. "Was ist das für eine heiße Wüste?" Das war mein erster Eindruck von Israel, und auch dieser Tage murmele ich ab und zu so etwas vor mich hin. Verlässt man den Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv, so bekommt man nicht etwa 20 Shekel Begrüßungsgeld, sondern einen Mund voll Staub. Bis heute kommt es mir so vor, als lebten wir in einem Herd: 220 Grad Umluft! Diese Stadt ist staubig, staubig, staubig. Die Luft ist feucht, auf den Straßen liegen Plastiktüten, Deckel, Flaschen, alles. Hier und dort ein Bewaffneter, man wohnt in schimmligen Wohnungen. Das ist Israel.

Ich bin "auf dem Land" aufgewachsen, ich mag keine Städte. Die Wüste würde ich gerne mit dem Kamel durchqueren, in ein weites Gewand gehüllt. Statt dessen lebe ich in einer Betonstadt und fahre jeden Morgen mit dem Bus durch eine Betonwüste zur Arbeit. Meine Mitbewohner, seit zwei Monaten hier, wollen nach Ende ihrer Dienstzeit zurückkehren. Zagi, ein einheimischer Kolleget, sagt: "Ihr seid doch verrückt. Israel ist ein Scheiß-Platz zum Leben. Freut euch, dass ihr in Deutschland leben dürft, oder geht wenigstens nach Australien. Also warum Israel?”

Am ersten Tag habe ich mich wie ein Tourist gefühlt. Bin nach Tel Aviv gefahren, habe mir den Dreck angeguckt, die versteckten Gassen. Habe unter der Hitze gelitten, den dämlich gestalteten Busfahrplänen. Und den schönsten Sonnenuntergang meines Lebens gesehen. Die Busse finde ich immer noch überklimatisiert. Und bin froh, von zwei der vielen Linien zu wissen, wohin sie fahren.

Die Straßen sind immer noch dreckig. Doch ich fühle mich wohl. Es wird jeden Tag besser! Woran liegt das? Zum Großteil an den Menschen. Im Kfar Ofarim, wo ich bei der Betreuung von Autisten helfe, sind die Menschen durchweg freundlich. Ich lerne schnell Hebräisch, weil die Kollegen nicht müde werden, mir Sätze beizubringen.

Morgens werde ich von einer Betreuten mit "Guten Morgen, Wolf! Wie geht es Dir?" begrüßt. Es wärmt das Herz, wenn wir unter Kollegen in einer freien Minute über das Sozialsystem, Kamele und Blätterteigtaschen plaudern, zusammen lachen. Wenn der Hausmeister mir die Kochrezepte seiner Frau ans Herz legt, ich auf die Straße trete und verschiedenen Fremdsprechen höre. Wenn einer der autistischen "friends" (so nennen wir unsere Betreuten) seinen Kopf in meinen Schoß bettet und am Kopf gestreichelt werden möchte. Es lebt sich gut hier!