Kripo ermittelt nach Gas-Vorfall

Der Schwefelwasserstoff kann sich nicht zufällig im Kanal gebildet haben. Behörden suchen Verursacher.

Foto: Dietrich Janicki

Der hochgiftige Schwefelwasserstoff, der am Montag im Gewerbegebiet Kocherscheidt freigesetzt wurde, gibt der Feuerwehr weiterhin Rätsel auf. Weil eine versehentliche oder illegale Einleitung von Chemikalien ins Kanalsystem als mögliches Szenario immer wahrscheinlicher wird, haben inzwischen Kriminalpolizei sowie die Bezirksregierung Düsseldorf die Ermittlungen aufgenommen.

Klar ist für Einsatzleiter Matthias Mausbach in Wülfrath, dass das Gas, das bei fünf Mitarbeitern einer Kfz-Werkstatt an der Dieselstraße zu extremer Übelkeit führte, sich nicht von alleine gebildet haben kann. „Grundsätzlich können Faulgase im Abwasserkanal entstehen, aber in der gemessenen Konzentration auf gar keinen Fall“, sagt der stellvertretende Leiter der Freiwilligen Feuerwehr. Die Einsatzkräfte stellten bei einer ersten Prüfung in der Kanalisation laut Mausbach ein vierfaches des erlaubten Grenzwertes an Schwefelwasserstoff fest.

Nach dieser ersten Erkenntnis stand der Einsatz kurz davor, dramatische Ausmaße anzunehmen. „Es gab den Gedankengang, dass wir evakuieren“, berichtet Mausbach. Zusammen mit erfahrenen Führungskräften unter anderem von der Berufsfeuerwehr Ratingen, habe man sich jedoch dagegen entschieden. Schließlich habe das giftige Gas nur an zwei Kanälen festgestellt werden können. Mausbach betont: „Für die Bevölkerung bestand keine Gefahr, die hohe Konzentration des Gases hat sich auf das Innere des Kanals beschränkt.“

Dann passierte etwas, das Einsatzleiter Matthias Mausbach als „kurios“ bezeichnet. Nur zehn Minuten später sei fast gar kein Schwefelwasserstoff mehr messbar gewesen. Ob hier zufällig der Wind die Gase weitergetragen hat oder ob irgendwo die Quelle abgedreht wurde — das wird jetzt Gegenstand der Polizeiermittlungen sein.

An die Kanalisation sind entgegen erster Meldungen am Montag laut Mausbach alle Betriebe des Gewerbegebiets angeschlossen. Was die Ermittlungen ebenfalls nicht erleichtert: Keiner der umliegenden Firmen stellt Schwefelwasserstoff her oder arbeitet mit Schwefelverbindungen.

Der entstandene Schaden lässt sich neben den fünf Leichtverletzten, vor allem mit verbrannter Arbeitszeit größtenteils ehrenamtlicher Helfer messen. 84 Einsatzkräfte von Rettungsdienst, Feuerwehr und zuständigen Behörden waren vor Ort. Kollegen aus Ratingen, Velbert, Erkrath, Mettmann und Wuppertal unterstützten die Wülfrather.

Das Gewerbegebiet blieb Stunden für den Verkehr gesperrt, Mitarbeiter der anliegenden Firmen durften die Gebäude nicht verlassen, während Anwohner Fenster und Türen geschlossen halten sollten.

Letztere dürften inzwischen die Nase voll haben von Zwischenfällen im Gewerbegebiet Kocherscheidt. Innerhalb gut eines Monats war der Schwefelzwischenfall der dritte Großeinsatz vor ihrer Haustür. Zwei Mal gingen die Sirenen wegen des Chemieunternehmens ASK Chemicals (Ashland) los.