Ratingen: Die Ruhe des Ginkobaums
Menschen: Hedwig Stinshoff ist die Mutter der Hospizbewegung. Die Natur im eigenen Garten und ein gutes Buch geben ihr die nötige Kraft.
Ratingen. Die Sonnenstrahlen scheinen auf Hedwig Stinshoffs Gesicht. Es leuchtet hell - genauso wie ihre Augen. Sie liest gerade das Buch "Die Mystik des Todes" von Dörte Sölle. Ein Vogel zwitschert, die sattgrünen Grashalme wehen im Wind, ein üppiger Ginkobaum spendet Hedwig Stinshoff Schatten und strahlt Ruhe aus. "Und genau diese Ruhe brauche ich", sagt sie.
Denn wenn sie sich einige Zeit für die Ratinger Hospizbewegung und für die Beschäftigungsbörse engagiert oder an anderen sozialen Projekten gearbeitet hat, wird es für Hedwig Stinshoff "hin und wieder Zeit, sich zurückzuziehen, um Kraft zu tanken". Und dies kann sie am allerbesten in ihrem eigenen Garten.
Hedwig Stinshoffs allerliebster Ort in der Stadt, für die sie in den vergangenen Jahrzehnte einiges getan hat: Denn sie engagiert sich nicht nur für Sterbende, deren Angehörige und Arbeitslose. Hedwig Stinshoff hat die Einrichtungen selber Mitte der 90er Jahre initiiert.
"Bis zur Gründung der Hospizbewegung und der Beschäftigungsbörse war ich schon jahrelang im Sozialdienst katholischer Frauen aktiv. Durch die Arbeit dort habe ich gemerkt, dass diese Angebote fehlen. Da musste ich einfach irgendetwas unternehmen."
Genau dieser Satz ist es, den Hedwig Stinshoff von anderen unterscheidet. Denn sie sagt ihn nicht einfach nur, sie setzt ihn auch in Taten um. So ging sie, kurz nachdem sie die Idee für die beiden Einrichtungen hatte, auf die Menschen zu, führte Gespräche mit Vertretern der Kirchen, aus der Politik und von den Bildungswerken, erzählte von ihren Ideen, bat um Unterstützung - und sie bekam sie.
"Das ist auch das, was ich an der Stadt hier so mag. Die Menschen in Ratingen sind offen für neue Idee und bügeln nicht einfach alles erst einmal ab. Sie hören zu und versuchen Lösungen mit einem zu finden." Als diese gefunden waren, zum Beispiel, wer, was genau machen und vor allem, wie die Arbeit finanziert werden soll, fing 1995 die Arbeit der Hospizbewegung und der Beschäftigungsbörse zunächst im Kleinen an. Heute ist ein Ratingen ohne diese beiden Angebote fast undenkbar.
Woher Hedwig Stinshoff ihre soziale Ader hat, weiß sie selber nicht so genau: "Meine Familie war nicht übertrieben sozial engagiert." Und es gab auch kein Schlüsselerlebnis, das sie dazu bewegt hat, sich für andere stark zu machen. "Ich hatte einfach sehr viel Glück in meinem Leben, habe studieren können, geheiratet und drei gesunde Kinder bekommen - alles war einfach gut." Und dieses Glück habe sie einfach anderen Menschen "mitgeben wollen".
Ihr Mann habe sie immer unterstützt, was sie besonders betont - wohl deshalb, weil Hedwig Stinshoff aus einer Generation kommt, in der es nicht selbstverständlich war, dass eine Frau ihr eigenes Ding macht. "Aber mein Mann wusste genau, dass ich meine Freiheiten brauchte. Ich wollte nicht einfach nur zu Hause sein, sondern etwas Handfestes tun", erzählt Hedwig Stinshoff, die - und auch das gehört wohl zu ihrer Generation - ganz damenhaft ihr Alter wirklich nicht verraten will.
Verraten will sie auch nicht, welche Ideen sie für neue soziale Projekte hat. "Da gibt es welche, aber das ist noch mein Geheimnis. Aber die Ratinger können sich sicher sein, dass ich da noch was in petto habe", sagt sie mit einem Lächeln. "Helfen kann man nie genug."