Ratingen: Herberge mit Hotelstandard

Seit 100 Jahren gibt es in Deutschland Jugendherbergen. Das Haus in Ratingen wurde 1939 gegründet – seitdem hat sich viel getan.

Ratingen. Als der Lehrer Richard Schirrmann im August 1909 bei einer Wanderung mit seinen Schülern von einem Gewitter überrascht wurde und in einer Dorfschule Unterschlupf fand, hatte er die Idee, "zweckmäßige Herbergen für die wanderfreudige Jugend" einzurichten.

Die Burg Altena in Westfalen wurde die erste deutsche Jugendherberge, Richard Schirrmann der erste Herbergsvater. Und seine Idee ging um die Welt. Heute gibt es allein in Deutschland 550 Jugendherbergen und über 4000 weltweit.

Doch nicht nur die Zahl der Herbergen ist gewachsen, auch das Konzept hat sich weiterentwickelt. Dienten die spartanischen Herbergen früher nur als Unterkunft für hungrige und durstige Wanderer, sind die meisten Häuser heute moderne Dienstleistungsunternehmen. Auch die Jugendherberge in Ratingen hat diese Entwicklung durchlebt. Das im Jahr 1939 erbaute Gebäude wurde 1997 komplett abgerissen und durch ein neues Haus, das den heutigen Ansprüchen genügt, ersetzt.

"Hier gab es früher sieben Duschen für 160 Besucher. Lehrer und Betreuer mussten sich einen Duschraum im Keller teilen - das würde heute kein Gast mehr akzeptieren", sagt Klaus Wiegandt (46), der die Herberge mit seiner Frau Vera (48) seit 1996 leitet.

Die Ratinger Herberge liegt von Feldern und Wald umgeben im Landschaftsschutzgebiet Angertal etwa zwei Kilometer vom Stadtkern entfernt. Und die idyllische Lage ist ein Vorteil. "Heute haben fast alle Jugendherbergen ein Konzept. Wir setzten auf naturnahe Erlebnispädagogik, weil sich das hier anbietet", erklärt Vera Wiegandt.

So können Kinder und Jugendliche im Hochseilgarten am Blauen See ihre Grenzen austesten oder als Detektive den angrenzenden Wald erforschen. Gebucht werden solche Programme nicht vor Ort, sondern im Servicecenter des DJH-Verbandes Rheinland in Düsseldorf. Auf Kundenfreundlichkeit wird heute eben viel Wert gelegt.

Und das zeigt sich auch in der Ausstattung der Zimmer und bei der Verpflegung. Vorbei sind die Zeiten, in denen Schulklassen in riesigen Schlafsälen in knarrenden Betten nächtigen mussten - heute schlafen die Schüler in hellen Vierbettzimmern mit stabilen Holzbetten und angrenzenden Toiletten und Waschbecken. Und statt Brot mit Aufschnitt und Tee, bietet die Ratinger Herberge heute Vollpension inklusive Grillabende mit Salaten und zwei Sorten Fleisch an.

Vegetarische Kost sei natürlich auch im Angebot, so die Herbergseltern. "Mir stellen sich immer die Nackenhaare hoch, wenn im negativen Sinne gesagt wird ,das ist ja wie in der Jugendherberge’. Das stimmt heute einfach nicht mehr", sagt Klaus Wiegandt. Dennoch seien Gäste immer wieder über den hohen Standard überrascht.

Doch trotz Hotelstandard, einige Dinge werden sich in den Herberegen wohl nie ändern. Die Besucher müssen ihre Betten weiterhin selbst beziehen, auch wenn es die alten Wolldecken auf deren Ende der Hinweis "Fußende" stand, nicht mehr gibt. Und auch Fegen sowie das Eindecken der Tische bleibt erwünscht. Vera Wiegandt: "Das gehört einfach zur Philosophie. Außerdem könnten wir die Zimmer sonst nicht so günstig anbieten."