Ratingen: Hotzenplotz trägt Neopren

Theater: Während das Publikum dem Räuber entgegen- fiebert, stärkt der sich hinter den Kulissen.

Ratingen. Die Zeit läuft. Noch eine Stunde bis zur Aufführung. Die ersten Zuschauer drängen bereits auf das Gelände, man munkelt die Vorstellung sei ausverkauft. Die Kartenabreißer machen sich bereit für den großen Ansturm, der nicht lange auf sich warten lässt.

Entspannte Ruhe herrscht hinter den Kulissen: Die Schauspieler des Freilichttheaterstücks "Hotzenplotz" bekommen von dem Trubel am Eingang nichts mit. Blickgeschützt, hinter einem Holzzaun, sitzen sie entspannt auf weißen Plastikstühlen und warten. "Das ist der Unterschied bei einer Open-Air-Bühne. Hier gibt es keinen roten Vorhang, hinter dem man bis zur letzten Sekunde proben kann", sagt Jan Käpernick, der die Rolle des Kasperl spielt.

Um 15.30 Uhr geht die Vorstellung los, spätestens eine Stunde vorher müssen Requisitencheck, Aufwärmübungen und Tonproben abgeschlossen sein. Sobald die Zuschauer da sind, darf kein Schauspieler mehr auf der Bühne zu sehen sein.

Bis das Stück beginnt, sitzen sie daher hinter den Kulissen und warten. Der eine nutzt die Zeit, um sich zu sammeln, Sandra Hengster (in der Rolle der Großmutter) gewöhnt sich an ihr ausgepolstertes Kostüm, andere, wie Marcel Höfs (Seppl) stärken sich mit Sommerwirsing. "Der ist gesund", sagt er lachend, als seine Kollegen ihn aufziehen. Die Stimmung ist entspannt, von Nervosität keine Spur - zumindest keine sichtbare. "Dreieinhalb Stunden vor der Aufführung fangen wir an zu proben, da geht es schon mal stressiger zu", erzählt Höfs.

Meist ist es das Wetter, auf das sich die Schauspieler einstellen müssen. Der Regen der vergangenen Tage hat die 100 mal 15 Meter große Bühnenfläche in eine matschige Seenlandschaft verwandelt. "Wir müssen da ja mit Fahrzeugen durch, das ist manchmal rutschig", sagt Käpernik. Er trägt bereits seine rote Zipfelmütze, und auch das Mikrofon klebt schon an der Stirn. "Davon sieht man später nichts mehr", verrät er und blickt zu den anderen Schauspielern, die ebenfalls geschminkt sind und in ihren Kostümen stecken. "Das Schminken machen wir selbst", verrät Sandra Hengster. Bewusst trägt sie ihr Kostüm schon Stunden vor der Aufführung: "Man muss sich daran gewöhnen", erklärt sie, der Umfang ihres Körpers verdoppelt sich schließlich. "Am Anfang habe ich mich für eine Großmutter immer zu schnell bewegt, aber das klappt mittlerweile."

Der Einzige, der noch nicht in einem Kostüm steckt ist Marcus Jakovljevic. Er spielt die Hauptrolle, den Räuber Hotzenplotz. "Und der fällt in seiner ersten Szene erst mal ins Wasser und zwar von einer ziemlichen Höhe", erzählt Jakovljevic. Um sich nicht zu verletzen und bei den wenig sommerlichen Temperaturen keinen Kälteschock zu bekommen, trägt er unter dem Kostüm einen Neoprenanzug, "aber den muss ich nicht schon Stunden vorher anhaben." Die Freude an seiner Rolle ist ihm deutlich anzumerken, sogar den Bart hat er sich stehen lassen, um noch ein bisschen wilder zu wirken.

Bis zur Aufführung sind nur noch 30 Minuten Zeit. Neugierige Kinder versuchen, durch den Zaun zu gucken, um einen Blick auf die Schauspieler zu erhaschen. Die haben immer noch die Ruhe weg, es wird eine letzte Zigarette geraucht, ein Schluck Wasser getrunken, und es werden ein paar Dehnübungen zum Zeitvertreib gemacht. Hund Tino gesellt sich zur Gruppe und wird allseits begrüßt, der Beagle wedelt munter mit dem Schwanz und verfällt ebenso wenig dem Lampenfieber wie der Rest des Teams.

Noch 20 Minuten. Jakovljevic macht sich auf den Weg, um seinen Neoprenanzug schon mal ins Wasser zu tauchen, um ihn auf die richtige Temperatur zu bringen. Gerlind Müller gesellt sich zur Schauspielerrunde hinter den Kulissen. Ein kleines Mikrofon am Ohr verrät, dass sie für die Technik zuständig ist. Gefragt, ob es für eine Tontechnikerin schwieriger sei, unter freiem Himmel zu arbeiten: "Auf das Wetter haben wir im Prinzip keinen Einfluss, wenn ein Gewitter zum Ausfall der Technik führt, kann ich auch nichts mehr machen." Sie zuckt mit den Schultern. So ist das auf einer Freilichtbühne, "da werden einem andere Sachen abverlangt", sagt Höfs.

Der Aufführungszeitpunkt rückt näher. Fünf Minuten vorher müssen alle bereit sein, da darf keiner mehr noch kurz auf die Toilette, es soll schließlich pünktlich losgehen. Alle verteilen sich auf ihren Plätzen, Jakovljevic kommt hoch in den Tonraum. Hier, über den Köpfen der Zuschauer, hat Gerlind Müller den besten Überblick. Und von hier steigt der Räuber Hotzenplotz gleich in die Szene ein. Aber erst wenn Müller das Zeichen gibt und die Regler nach oben schiebt.