Ratingen: Misstöne in der Chorlandschaft

Die Bevorzugung der Jugendkantorei Hösel durch die Stadt und ihre Politiker stößt zunehmend auf Unverständnis.

Ratingen. Die Reaktionen schwanken von "unfassbar" bis "unmöglich". Und "ungerecht" ist noch eine der harmlosen Meinungsäußerungen zu dem, was der Hauptausschuss mit den Stimmen der Bürger Union und der CDU Anfang März beschlossen hat. Dennoch wird der Rat diesem Votum am Dienstag aller Voraussicht nach folgen und der Jugendkantorei einen zusätzlichen Zuschuss von 25 000 Euro gewähren. 10 000 Euro bekommt der bekannte Jungenchor ohnehin jedes Jahr aus der Kasse der Stadt.

Der Entscheidung des Hauptausschusses war eine Art Offenbarungseid von Chorleiter Toralf Hildebrandt vorausgegangen. Er hatte Schulden des Chores von 64 000 Euro eingeräumt und eine Deckungslücke von "fast 42 000 Euro" zugegeben. "Ein solches Defizit haben wir beinahe jedes Jahr." Aus diesem Grund beantragte Hildebrandt einen Zuschuss von 50 000 Euro - pro Jahr. Der Hauptausschuss nickte 25 000 Euro zusätzlich für 2009 ab. Und viele Kulturtreibende in Ratingen schütteln darüber den Kopf. Sie fürchten um ihre Hilfen aus dem Steuersäckel. Und die Befürchtungen sind nicht ganz unbegründet, wie Kämmerer Klaus Konrad Pesch gegenüber der WZ am Donnerstag erklärte. "Für dieses Jahr kann ich Kürzungen ausschließen. Aber wenn die Wirtschaftskrise nächstes Jahr noch andauert, werden wir nicht umhin kommen, Geld einzusammeln." Das heißt: dann wird gespart. Und das machen Kommunen zunächst bei den freiwilligen Leistungen, wo es am einfachsten ist. Vereins- und Kulturförderung sind freiwillig.

Insofern dürften auf die Kantorei Hösel lausige Zeiten zukommen. Denn kaum jemand glaubt, dass es mit den 25 000 Euro Sonderzuschuss für dieses Jahr getan ist. Wenn die Jugendkantorei mit ihrem Chor auch in Zukunft in aller Herren Länder auftreten will, dann braucht sie auf Dauer mehr Geld. Daran hat Hildebrandt mit seinem Antrag keinen Zweifel gelassen. Und jeder Vereinsvorstand wird wissen, wie Recht er hat.

Genau deshalb regt sich nun Widerstand. Aber die meisten schweigen aus Angst, für die Kritik bei der nächsten Zuschussvergabe bestraft zu werden. Monika Kißling schweigt nicht. Die Vorsitzende des Chores ’73 hat Kulturdezernent Dirk Tratzig angeschrieben und ihm mitgeteilt, dass sie die Unterstützung der Jugendkantorei natürlich akzeptiere. "Aber die Verhältnismäßigkeit muss stimmen", findet Monika Kißling. Deshalb hat sie freundlich angefragt, ob nicht auch für den Konzertchor ’73 ein bisschen mehr Geld möglich wäre.

Während Monika Kißling ihre Kritik mit aller Vorsicht und Höflichkeit kundtut, nimmt Angelika Kompalik kein Blatt vor den Mund. Die Sozialdemokratin ist Vorsitzende des Kulturausschusses. Abgesehen davon, dass sie es nicht für die feine englische Art hält, dass der Fachausschuss in so einer Frage schlicht links liegen gelassen wird, kann sie auch die Entscheidung ihrer Kollegen im Hauptausschuss "nicht nachvollziehen". Die meisten Mitglieder des Chores entstammten gut situierten Familien. "Nur damit die Jungen reisen können, werden jetzt Steuergelder verschwendet", kritisiert Kompalik. "Ich sehe das nicht ein."

Die Vorsitzende des Kulturausschusses zweifelt obendrein an der Werbewirksamkeit des Chores für Ratingen. "Die Stadt wird auf der Internetseite der Jugendkantorei nur am Rande erwähnt", sagt sie. Tatsächlich kündet unter www.jugendkantorei.de lediglich ein Zweizeiler davon, dass der Chor von der Stadt Ratingen unterstützt wird. Dass er aus Ratingen kommt, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Und davon, dass ein Unternehmen sich wegen des Chores in Ratingen angesiedelt hätte, hat auch noch niemand etwas gehört. Dass so etwas je geschehe, glaubt Kompalik nicht. Deshalb fände sie das Geld besser bei Vereinen aufgehoben, die es wirklich brauen. "Da stimmen die Relationen nicht mehr."

Wie sehr der Igel sticht, den die Ratinger Politiker üblicherweise in der Tasche haben, wenn es um Zuschüsse geht, zeigt die Geschichte der Kunstschule für das Museum. Darin sollen Kinder Malen, Modellieren, Filmen und andere bildende Künste lernen. "Aber die 20 000 Euro, die dafür notwendig wären, sind bisher abgelehnt worden", sagt Kompalik.