Ratingen: Partei-Freund düpiert Vielhaus
Cdu-versammlung: Nicht einmal die Hälfte der Ratskandidaten wurde gewählt: Fortsetzung am 11. Dezember. Der Fraktionsvorsitzende erhielt überraschend einen Gegenkandidaten.
Ratingen. "Es gibt Pfeffersüppchen. Habe ich auf der Speisekarte gelesen." Mit launigen Worten eröffnete der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Rolf Steuwe die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung in der Stadthalle. Vielleicht wollte auch er damit auf die Brisanz des Abends hinweisen, der von vielen als "Abend der Entscheidung" gesehen wurde. 292 Mitglieder waren gekommen, um die Ratskandidaten für die 25 Wahlkreise zu wählen. Viele Spannungen, die es im Vorfeld gegeben hatte, bestehen weiter - das war an der stellenweise knisternden Atmosphäre zu spüren.
Da wirkte es wie das Pfeifen im Wald, als Steuwe die Mitglieder zur Loyalität und Einigkeit aufrief. Dazu sollte auch die Mitteilung beitragen, dass das Parteigericht an der Wahl des Bürgermeisterkandidaten Stephan Santelmann nichts beanstandet habe. Alle Mitglieder seien stimmberechtigt gewesen. Das Gerede über angebliche Unstimmigkeiten wertete Steuwe als "Kollateralschaden" für die Partei.
Als gegen Mitternacht die Versammlung beendet wurde, war die CDU der beschworenen Einigkeit nicht viel näher gekommen: Nicht einmal die Hälfte der Wahlkreiskandidaten konnte gewählt werden - aus Zeitgründen. Zwar hatte man vorsorglich die Stadthalle für zwei Abende gebucht. Um bei den Fristen nichts falsch zu machen, wird die Versammlung aber erst am 11.Dezember an gleicher Stelle fortgesetzt. Dann stehen die ganz brisanten Personalien - etwa aus Lintorf - auf dem Plan.
Dann soll es auch zügiger gehen, versprach Steuwe. "Vielleicht besorgen wir uns schnellere Kopierer." Denn jeder Stimmzettel musste erst ausgedruckt, dann rund 300 Mal kopiert und verteilt werden. Insgesamt 22 Stimmenauszähler waren in zwei Teams anschließend damit beschäftigt, das Votum der Mitglieder zu ermitteln. Steuwe: "Wir haben das bewusst sehr akribisch gemacht, um niemandem die Chance zu geben, die Wahlen anzufechten." Mit Loyalität und Vertrauen ist es offenbar immer noch nicht weit her.
Die Folge dieser Prozedur: Jeder Wahlgang dauerte rund eine Dreiviertelstunde, vier Wahldurchgänge gab es - macht zusammen etwa drei Stunden Stimmenzählen. Die Zeit dazwischen nutzten die Kandidaten, sich kurz vorzustellen. Den meisten Beifall heimste Heidi Brebeck ein, da sie mit zweieinhalb Minuten die mit Abstand kürzeste Redezeit hatte. Ohne Gegenkandidaten wurden Gerold Fahr, Margarete Paprotta, Heidi Brebeck, David Lüngen, Udo Schäckermann, Hanno Paas und Erhard Schneider mit deutlichen Mehrheiten gewählt. Hanno Paas hatte einen Gegenkandidaten befürchtet, der aber nicht aufgestellt wurde. "In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass viele Mitglieder hinter mir stehen. Da haben einige Leute wohl lieber den Schwanz eingezogen", kommentierte er zufrieden trotz der 64 Gegenstimmen.
Dafür bekam Fraktionsvorsitzender Ewald Vielhaus plötzlich erhöhten Blutdruck: Wilfried Schwassmann schlug Rechtsanwalt Christian Freund als Gegenkandidaten vor. In seiner Vorstellungsrede wies Vielhaus auf seine vielen Aktivitäten hin, verzettelte sich dabei aber und beschwor dann seine Verbundenheit zu Ratingen. Christian Freund, den meisten als Kirmes-Manager des St. Sebastiani-Schützenfestes bekannt, machte es kurz und bündig und formulierte zum Schluss: "Es ist Zeit für einen Neuanfang. Die internen Querelen müssen ein Ende haben." In der Zwangspause während der Auszählung bildeten sich schnell Grüppchen, die die Köpfe zusammen steckten. Kreisvorsitzender Wilhelm Droste wirkte sehr angespannt, Ewald Vielhaus nervös: "So ist das eben in der Politik. Wenn man mich nicht mehr will, dann muss ich eben gehen. Aber warten wir erst einmal das Ergebnis ab." Vielhaus darf bleiben: Er bekam 178, Freund 106 Stimmen. In der Partei wird das dennoch als deutliche Ohrfeige für den Fraktionsvorsitzenden gewertet.
Sehr knapp fiel die Entscheidung um Dieter-Josef Rubner aus, der mit Vielhaus über Kreuz liegt. Er hatte schon bei der Wahl im Ortsverband West Margret Tombers als Gegenkandidatin serviert bekommen. Dem Vernehmen nach wollte sie gar nicht gegen den altgedienten Parteisoldaten antreten, sei aber mit Druck dazu gedrängt worden. Am Ende bekam Tombers 134 Stimmen, gerade 17 mehr als Rubner. "Nach 43 Jahren Einsatz für die Partei, schmerzt so etwas schon sehr", sagte Rubner enttäuscht.