Ratingen: Schulden? Bitte hinten anstellen!
Schuldnerberatung: Die Beratungsstelle des SkF ist überfordert mit der Zahl der Ratsuchenden. Die Folge: aktuell 19 Monate Wartezeit.
<strong>Ratingen. Das Minus hat schon vor geraumer Zeit die 50 000-Euro-Marke überstiegen, die Bank gibt keinen Kredit mehr, der Vermieter droht mit Kündigung, das Auto ist bereits zur Tilgung draufgegangen, im Supermarkt wird nur noch das Allernötigste eingekauft. Wenn der Schuldenberg über den Kopf wächst, ist die Privatinsolvenz oft der letzte Ausweg. In dringenden Fällen geben Schuldnerberatungen die nötige Unterstützung. In Ratingen ist das nicht so einfach. Wer in der Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) vorstellig wird, muss erst einmal - warten. Derzeit 19 Monate lang.
Wolfgang Wesselsky, Leiter der Schuldnerberatung, sagt: "Wir sind nicht glücklich darüber, und die Menschen auch nicht." Die derzeitige Situation sei so: Akute Hilfe in der Not ist gewährleistet, aber längerfristige Betreuung ist schier unmöglich.
Die drei Gründe für den Beratungsstau: die steigende Zahl Ratsuchender, der Mangel an Beratern und ein neuer Vertrag mit dem Kreis Mettmann.
Die Folge: Menschen, die zwar hoch verschuldet sind, aber noch ein regelmäßiges Einkommen haben, müssen sich hinten anstellen. Ende November hingen 107 Ratinger Haushalte in der Warteschleife.
Im Kreisvergleich steht Ratingen bei der Privatverschuldung noch relativ gut da. Im Schuldenatlas 2007 weist die Stadt die zweitniedrigste Schuldnerquote des Kreises Mettmann auf. Allerdings: Jeder elfte Erwachsene in Ratingen ist zahlungsunfähig. Tendenz steigend.
Allein die Zahl der Beratungen in der offenen Sprechstunde hat innerhalb eines Jahres um 30 Prozent zugenommen. Die eine Hälfte dieser Menschen benötigen Rat, wie sie mit der Bank verhandeln, welche Formalitäten sie abwickeln müssen, wie sie kurzfristig über die Runden kommen sollen. Die andere Hälfte steht unmittelbar vor der Insolvenz und braucht langfristig Begleitung. Insgesamt beriet der SKF von Oktober 2006 bis Oktober 2007 726 Haushalte.
Die Berater an der Düsseldorfer Straße haben alle Hände voll zu tun. Die drei Vollzeit- und zwei Halbtagskräfte kümmern sich um die dringendsten Fälle: im Schnitt 34 pro Woche in den Sprechstunden, hinzu kommt die Klientel in der Langzeitbetreuung.
Eine Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. Mehr Geld? Nicht 2008. Mehr Personal? Nein. Wolfgang Wesselsky hat intern reagiert und umstrukturiert: "Seit vier Wochen führt ein Berater die Sprechstunde, damit die anderen Freiraum haben." Vorwürfe macht er niemandem: "Stadt, Kreis und wir - alle wollen eine Lösung."