Schuldnerberatung blickt zurück auf 30 Jahre Arbeit
Das vierköpfige Team der Bergischen Diakonie Velbert kennt die Fallstricke, die Menschen in die Schuldenfalle tappen lassen.
Velbert. „Job verloren, das Einkommen bricht weg oder eine Trennung, wo plötzlich zwei Haushalte geführt werden müssen — die Wege in die Überschuldung sind vielfältig“, weiß Daniela Peschl von der Schuldnerberatung. „Sozialleistungen werden nicht regelmäßig überwiesen, der Arbeitgeber zahlt nicht oder Unterhalt bleibt aus. Man lebt über seine Verhältnisse, gibt mehr Geld aus, als reinkommt“, ergänzt Kollegin Vera Martin. Die beiden Juristinnen blickten gestern zusammen mit dem Sozialpädagogen Ralf Schwarzbach und der Sekretärin Melanie Hecker auf das 30-jährige Bestehen der Schuldnerberatung der Bergischen Diakonie in Velbert zurück.
Die begann 1987 mit einem Mitarbeiter und 70 Fällen. Im vergangenen Jahr wurden von drei Mitarbeitern 262 Fälle bearbeitet, in diesem Jahr haben die vier Mitarbeiter, zwei davon in Teilzeit, 309 alte und neue Fälle auf den Schreibtischen. Mitunter ist es Unerfahrenheit, die den Weg in die Schuldenfalle bereitet. „Da wird blind was unterschrieben — das passiert Männern wie Frauen“, hat das Beraterteam festgestellt. Einen besonders krassen Fall erlebte Vera Martin: „Da hatte eine Bank einer 60-jährigen fünf Lebensversicherungen verkauft, die ihr mit dem 96. Lebensjahr ausgezahlt werden sollten.“
Oder da war die Frau in Ausbildung mit Migrationshintergrund und drei Kindern, der Mann im Gefängnis. Bald reichte die Ausbildungsvergütung vorne und hinten nicht, die Miete konnte nicht mehr gezahlt werden, die Kündigung folgte. Das war schon eine große Herausforderung“, sagt Peschl. Vera Martin kehrt die positiven Seiten ihrer Tätigkeit heraus: „Da kommen Menschen zu uns, die so verzweifelt sind, dass sie nicht mehr weiter wissen und an Selbstmord denken. Denen können wir die Angst vor einer Insolvenz nehmen. Sie gehen erleichtert wieder raus, haben den Kopf frei für andere Dinge. Wir können zu uns dann sagen ,Das haben wir gut gemacht’“, stellen die Beraterinnen fest.
Zu ihren Kunden gehören Menschen aller Alters- und Bildungsgruppen, vom 18-Jährigen bis zum Rentner, sogar Topverdiener mit einem großen Einkommen sind dabei. „Das Anspruchsdenken ist heute größer als früher“, so die Beobachtung der Schuldenhelfer. „Da müssen es denn die Turnschuhe für 160 Euro sein, auch wenn es welche für 20 Euro täten. Wenn man sich früher etwas leisten wollte, schaffte man sich das erst an, wenn das Doppelte auf dem Konto war“, sagt Peschl. Ebenso führt der problemlose Einkauf im Internet dazu, mehr zu bestellen, als es das Einkommen hergibt. „Es ist keine Seltenheit, dass sich das Problem der Überschuldung in die nächste Generation vererbt. Ich habe die Kinder hier sitzen, deren Eltern bereits zu Beratung kamen.“
Das Team begrüßt es, dass künftig das Thema Geld und Finanzen stärker im Schulunterricht berücksichtigt werden soll. „Wer meint, dass ihm die finanziellen Verpflichtungen über den Kopf wachsen, der sollte sich so früh wie möglich bei uns melden, und nicht erst, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht“, rät das Team der Schuldnerberatung.