Supermarkt-Schließungen „Das wird eine Katastrophe“
Ältere Bürger ärgern sich über die Schließungen von Edeka in der „Neuen Stadt“ und Kaiser’s in der Altstadt.
Kempen. Der Themenkomplex Altstadt ohne Kaiser’s und „Neue Stadt“ ohne Edeka hat einen Ansturm auf das WZ-Mobil ausgelöst. Zahlreiche, vornehmlich ältere Bürger, nutzten gestern Vormittag die Gelegenheit, um auf der Engerstraße — direkt vor Kaiser’s — ihre Meinung kund zu tun und ihrem Ärger Luft zu machen.
Elisabeth Schlingmann (76) sieht große Schwierigkeiten auf die Senioren der „Neuen Stadt“ zukommen: „Ich selbst fahre noch Auto, für mich ist die verschlechterte Einkaufssituation also nicht so schlimm. Aber in unserer Ecke ist die jüngste Anwohnerin 68 Jahre alt, die älteste Nachbarin ist 89. Mein Mann wird bald 84 Jahre“, erzählt sie. Irmtraud und Franz-Josef Köchlin glauben, dass die Innenstadt „verkommt“, wenn immer mehr Läden schließen. Viele ältere Bewohner der „Neuen Stadt“ hätten auch kein Geld, um von dort mit dem Bus ins Zentrum zu fahren.
Der Eigentümer der Edeka-Immobilie, Günther Pilch, betont am WZ-Mobil, dass an einem Gerücht, das durch die „Neue Stadt“ geistere, nichts dran sei: „Ich habe nicht die Miete für das Ladenlokal erhöht.“ Er deutet zudem eine mögliche Lösung an. Demnach gibt es wohl einen Interessenten aus dem Lebensmittelbereich für die Immobilie. Namen wollte Pilch aber nicht nennen. „Die müssten erst einmal an mich herantreten.“
Für die geplante Kaiser’s-Schließung findet Martha Hanisch-Douteil deutliche Worte: „Das ist ganz, ganz große Sch. . .“, so die 78-jährige Klosterhof-Bewohnerin. Viele Ältere könnten nicht mehr zu Rewe, Lidl oder Aldi. Ähnlich äußerte sich Maria Heinen, die am Bahnhof wohnt: „Das ist eine Oberschweinerei“, sagte die Kempenerin, die auch schon gegen den Rückzug von Netto (ebenfalls Engerstraße) protestiert hatte. Ohne Kaiser’s sei die Altstadt „in Sachen Lebensmittel tot“. Sie habe kürzlich ein älteres Ehepaar kennengelernt, dass vor einiger Zeit extra an die Engerstraße gezogen sei, um ein Geschäft in der Nähe zu haben. „Ich bin stinksauer“, sagt Heinen. „Jetzt nehmen sie uns auch noch Kaiser’s“, sagt Käthe Wagner, die schlecht gehen kann und deshalb lange Wege fürchtet.
Else Grusen kauft schon bei Kaisers’s ein, so lange es das Geschäft an der Engerstraße gibt. Die Hilfe ihrer Nichte will sie beim Einkaufen in weiter entfernten Geschäften nicht in Anspruch nehmen. „Sie hat selber einen Haushalt mit sechs Personen zu versorgen“, sagt die Seniorin. Dieter Pläschke wohnt seit mehr als 35 Jahren in der „Neuen Stadt“, kauft aber häufig auch bei Kaiser’s ein.
Jutta Blum meldet sich per E-Mail: „Die Innenstadt ohne Kaiser’s bzw. ein vergleichbares Geschäft ist für mich als ältere Anwohnerin auf der Hülser Straße eine Kastastrophe.“ Sie stellt die Frage: „Was hätte beim Bau des Ladenzentrums an der Orsaystraße (Klosterhof, Anm. der Red.) gegen eine attraktive Fläche für einen Lebensmittelladen gesprochen?“ Auch Gaby Pieper wählt den digitalen Weg: „Mir tun auch die Mitarbeiter von Kaiser’s leid. Denn ich weiß, was es heißt, wenn ein Betrieb schließt.“
Rudolf Klein, Jahrgang 1929, sieht’s mit einer gewissen Ironie: „Das ist die freie Marktwirtschaft — wenn es sich nicht rentiert, wird’s zugemacht.“ In Kempen gehe es nur noch um Macht und Geld. Dabei sei es früher immer „so lieblich“ hier gewesen. Diese Meinung vertrat Karin Breitzke. Bernhard Dohmes findet es schlicht „traurig“, dass Kaiser’s schließt. „Die hatten den Laden doch erst vor einigen Jahren modernisiert.“
Günther Goergen glaubt, dass die Schließung von Kaiser’s auch den anderen Geschäften auf der Engerstraße schadet, weil dan, viele Kunden gar nicht mehr kommen.
Ursula Körner ist zwar erst 65 Jahre alt, aber zu 90 Prozent schwerbehindert. „Es kann doch nicht wahr sein, dass jetzt auch noch Kaiser’s schließt“ sagt sie. Zu anderen Geschäften außerhalb sei sie mit dem Rollator 25 Minuten unterwegs.
Anneliese Braun wohnt seit 1946 in Kempen. Und seitdem habe es in der Innenstadt immer Lebensmittelgeschäfte gegeben, sagt sie. Sie möchte auch weiterhin selbstständig ihre Einkäufe machen und braucht dafür ein Geschäft in ihrer Nähe.
Sigrid und Manfred Enger sind mit ihrem Auto zwar noch mobil, fürchten aber, dass in das Ladenlokal, in dem sich jetzt noch Kodi befindet, ein weiterer „Billigladen“ einziehen könnte.
„Das wird eine Katastrophe. Bei Hitze im Sommer oder Schnee im Winter kommen wird doch ohne Fahrrad oder Auto nicht in andere Geschäfte“, sagen Marianne Josten und Maria Thora übereinstimmend.
Karin Nauen, Jutta Gaßebner und Christine Orlik sind oft gemeinsam in der Stadt unterwegs. Sie sorgen sich um ältere Mitbürger, die „nicht wissen, wohin“.