WM 1990 Die „Bude“ von Andy — der Jubel von Lothar und Klinsi
Menschen aus der Region erinnern sich an den deutschen Sieg in Rom — heute vor 25 Jahren.
Kempen/Kreis Viersen. Die Zeiten waren wirklich andere: Das Internet im heutigen Sinn gab’s nicht, die deutsche Wiedervereinigung war offiziell noch nicht vollzogen und Millionen Menschen begeisterten sich für Tennis — gerne auch in der Fernsehvariante. In einem ähnelte der 8. Juli 1990 aber dem 13. Juli 2014: Deutschland war Fußball-Weltmeister geworden und der Jubel hierzulande kannte keine Grenzen. Wie haben Zeitzeugen aus der Region diesen Tag erlebt? Die WZ fragte nach.
„Das war doch die Bude (gemeint ist ein Tor; Anm. d. Redaktion) von Brehme.“ So reagiert die Trainer Micky Foehde aus Tönisberg, als er auf das Finale zwischen Deutschland und Argentinien angesprochen wird. „Es war ein verteiltes Spiel, glaube ich. Und die Argentinier haben sich aufgeregt, weil es durch einen Elfmeter entschieden wurde.“ Viel sei ihm nicht vom Spiel in Erinnerung. Außer, dass der Elfmeter durchaus fragwürdig war.
An sich habe Foehde die „Gauchos“ schon immer zu schätzen gewusst. „Die hatten immer Qualität, wenn es nach vorne ging.“ Dass die Südamerikaner bei der WM in Italien jede Menge Beton in der Abwehr angerührt hatten, sei ihm nicht bewusst gewesen. Was blieb sonst hängen? „Na die rasanten Frisuren. Da waren viele mit Minipli.“ Und natürlich, unvergessen: Die Spuck-Attacke des Niederländers Rijkaard auf Rudi Völler im Achtelfinale. „Der Holländer hockte dann nach dem Platzverweis in den Katakomben und hat bitterlich geweint weil sein Traum zerplatzt war“, sagt Foehde.
„Ich habe das zu Hause gesehen. Da war mein Sohn gerade mal ein halbes Jahr alt“, erinnert sich Uwe Leuchtenberg aus Tönisvorst. „Das war die Zeit, in der wir den Fernseher nach draußen gestellt haben und dann versuchten, mit Schirmen und Laken die Sonne wegzuhalten.“ An Einzelheiten des Spiels kann er sich kaum noch erinnern. „Wahrscheinlich hatte ich beim Abpfiff auch schon so eineinhalb Bier getrunken“, lacht der frühere SPD-Landtagsabgeordnete.
„Ganz bestimmt habe ich das zu Hause geguckt. Das tue ich bis heute am liebsten. Allenfalls sind meine Frau oder meine Tochter dabei“, sagt Manfred Lommetz, Grefrather Bürgermeister. „Ich mag das nicht in Kneipen. Da wird mir zu viel gequatscht.“ Was weiß er vom Spiel? „Es war wohl ein bisschen glücklich, wie schon häufiger gegen die Argentinier.“ Bleibenden Eindruck hat die Qualität des deutschen Personals hinterlassen: „Die Mannschaft war bärenstark. Die stellte sich von alleine auf. Das hätten Sie oder ich auch machen können. Da brauchte man keinen Beckenbauer für.“
Das Achtelfinale gegen Oranje hat auch Lommetz noch genau in Erinnerung: „Die Rotzerei von dem Rijkaard.“ Bei dem Thema Niederländer kochen bei Lommetz eh’ schon aus einem anderen Grund Emotionen hoch: „Seitdem der Schiedsrichter Leonardus van der Kroft 1976 Borussia gegen Real Madrid derart verpfiffen hat, sind die bei mir fußballtechnisch unten durch.“
Zeitversetzt am Abend sah der St. Töniser Christoph Kohnen das Spiel. „Ich war bei meinem Onkel in Kanada. Gemeinsam mit meinem Vetter Christian“, erinnert sich der Kfz-Meister. Beide halfen dort, neue Kälberställe zu bauen. „Und auch bei der Ernte haben wir geholfen. Auch an diesem Tag“, sagt er. Deswegen konnten die beiden St. Töniser das Spiel wegen der Zeitverschiebung nicht live sehen. Also wurde es mit dem Videorekorder aufgezeichnet.
Am Abend dann wurde das Wohnzimmer leergeräumt und vor dem alten Röhrengerät versammelten sich jede Menge Leute. Einige kannten das Ergebnis, waren aber strikt verpflichtet, es nicht zu sagen. „Wir sahen das Spiel also praktisch live“, erklärt Christoph Kohnen und lacht. Und natürlich hat er den Elfmeter von Andy Brehme genau vor Augen. „Das ist aber mit den Toren von Müller 1974 und Götze 2014 genauso“, sagt er.
Keine direkte Erinnerung an das Spiel hat Willichs Bürgermeister Josef Heyes. „Wir sind an diesem Tag mit unseren Kindern nach Tirol in Urlaub gefahren. Dort haben wir erfahren, dass wir Weltmeister geworden sind.“ Heyes erinnert sich aber noch genau an das Finale 1954, als er als Sechsjähriger bei Familie Seeger an der Siedlerallee im Wohnzimmer saß. Vor der „Kleinleinwand“ — ein 30 mal 40 Zentimeter großes Gerät aus der „Steinzeit des Deutschen Fernsehens“.