Kempen Die Angst des Schützen vorm Elfmeter

Die WZ hatte zum Strafstoß-Schießen geladen. Am Ende hatte der Grefrather Bürgermeister Manfred Lommetz die Nase vorn.

Kempen: Die Angst des Schützen vorm Elfmeter
Foto: Kurt Lübke

Kempen. 7,32 breit, 2,43 hoch. Ein Scheunentor könnte kaum größer wirken. Und dennoch ist es so verdammt schwer, den Fußballkasten vom ominösen Punkt aus zu treffen. „Wer will wissen, wie es ist, dort zu stehen und alleine gegen einen Torhüter antreten zu müssen?“ Das hatte die WZ gefragt, eine ganze Reihe von Lesern und Fußballfans wollten mitmachen. Acht durften zum Showdown auf den Kunstrasenplatz an der Berliner Allee kommen.

Ohne zu sehr in Eigenlob zu verfallen: Aber die WZ hatte die beste Voraussetzung für ein Gelingen der Aktion mitgebracht — einen erfahrenen Torhüter. Redaktionsleiter Tobias Klingen hatte sich ein Trikot übergeworfen, die Torwarthose angezogen und sich seit dem Mittag warm gehalten. Eines wollte er nicht anziehen, obwohl Vater Hans-Josef Klingen es ihm mitgebracht hatte: ein altes Paar Torwarthandschuhe. „Das sind Aufstiegshandschuhe. Die zieht man nie mehr an.“ Klingen junior ist also auch Vertreter der Fußballreligion, die sich Aberglauben nennt.

Dafür hatte Klingen senior die Fußballschuhe aus dem Keller geholt. „Nach 17 Jahren“, erzählt der 2. Vorsitzende des SV Grefrath. Schon Minuten nach dem Schießen löste sich die Sohle, waren die Teile reif für die Tonne. Und wie schoss der 68-Jährige? Davon später mehr.

Als letzter und so gerade noch pünktlich kommt der prominenteste Gast zum Schießen: Grefraths Bürgermeister Manfred Lommetz. Als er noch aktiv war, hieß seine Position im Mannschaftsgefüge noch „rechter Läufer“. Stimmt es, dass man ihn zu seiner besten Zeit „die Gazelle“ nannte? Lommetz zeigt dem Reporter den Vogel.

Scherz beiseite, es geht zum Punkt: Der St. Huberter Ralf Uebachs kommt vom Eishockey, hat früher in Grefrath dem Puck hinterhergejagt: „Bei Penaltys kenne ich mich aus. Elfmeter aber sehen immer so einfach aus. Das will ich wissen.“ Den ersten pariert Klingen, beim zweiten gibt der Schütze einen „Hoeneß 1976“ — der Ball geht weit über die Latte. Nur der Auffangzaun verhindert, dass er das Magnetfeld der Erde verlässt. Beim dritten Elfer geht er auf Nummer sicher, drischt in die Mitte: der Ehrentreffer. Geht doch.

Horst Simons, früherer Lehrer in Mülhausen hat mit Tobias Klingen noch eine Rechnung offen, an die sich der Keeper freilich nicht erinnern kann. Der erste sitzt, beim zweiten Strafstoß verlädt er den Keeper so, dass es Szenenapplaus gibt. Die Eiseskälte bleibt nicht. Den dritten versemmelt der Lehrer.

„Er hat keinen gehalten“, sagt Michael Beenen, den viele aus seiner Tätigkeit beim SV Thomasstadt kennen. So kann man seinen Schusserfolg zusammenfassen, auch wenn’s nur die halbe Wahrheit ist. Die andere Hälfte ist: keiner ging rein — daneben, drüber, Latte.

Einen besseren Start erwischt sein Vereinskollege Genaro Basile. Der erste sitzt, links unten. Den zweiten donnert er an die Latte und der dritten setzt er weit vorbei. Klingen im Tor unkt etwas von „mentaler Stärke“. Stimmt: Man muss die Schützen erstmal dazu bringen, so klar zu vergeben.

Uwe Krause, 61, hat große Teile seines Lebens in Norddeutschland verbracht, bevor es ihn der Liebe wegen wieder an den Niederrhein verschlug. „Eigentlich müsste ich aus neun Metern schießen. Sonst komme ich gar nicht bis zum Tor.“ Pures Understatement. Souverän versenkt der Mann die ersten beiden Elfmeter. Dann hält er wieder voll drauf, trifft die Latte. Nun gut, das ist Manuel Neuer gegen Chelsea auch schon passiert.

Altstadt-Wirt Christoph Wefers startet stark, macht den ersten. Beim zweiten verlädt er den Keeper ganz klassisch, um dann aber vorbeizuschießen. Am Ende gehört er zu den drei Schützen, die zwei Treffer für sich reklamieren können.

Es kommt zum Familienduell: Am Punkt stehen sich Klingen und Klingen Nase an Nase gegenüber. Die Nerven des Seniors sind nicht gut genug. Der erste Schuss geht vorbei, beim zweiten verletzt der Mann sich sogar, vermutlich an den Adduktoren. Die einstige Klasse blitzt dennoch auf. Den dritten schießt Klingen senior wegen der Verletzung mit dem linken Fuß — Tor.

Auftritt „Lommi“. Der Mann, der später von sich behaupten wird, dass Fußball das Einzige sei, was er kann: Manfred Lommetz. Der bullige Läufer wartet, bis Klingen sich die linke untere Ecke aussucht, drückt den Ball hoch rechts ein. Zweiter Strafstoß: Der bullige Läufer wartet, bis Klingen sich die linke untere Ecke aussucht, drückt den Ball hoch rechts ein — ein Déjà-vu für die Zuschauer.

Anlauf zum dritten Elfer. Offenbar will er in die Mitte halten. Dann registriert er, dass Klingen stehen bleibt. Und schiebt lässig links unten ein. Drei Schüsse — drei Treffer. Das ist der Sieg. Und man sieht ihm an, dass er seinen Spaß hat. Das Grinsen bei der abschließenden Ehrung geht von Ohr zu Ohr.