Ein Ort der Stille wird zum öffentlichen Park
Die WZ besuchte mit Ehrenbürger Karl-Heinz Hermans den alten Friedhof an der Kerkener Straße.
Kempen. Auf der Kerkener Straße rauschen Autos vorbei, vom Steinmetzbetrieb Manfred Messing hört man die Geräusche von Werkzeugen, die Stein bearbeiten. Geht man durch den Haupteingang auf den alten Friedhof werden die Umgebungsgeräusche leiser und das Zwitschern der Vögel dominanter. Ab und zu fahren Radfahrer vorbei, die die Friedhofswege als Abkürzung nutzen.
Sonst ist nicht viel los an diesem Vormittag. „Es ist ein Ort der Stille“, sagt Karl-Heinz Hermans. Für den ehemaligen Kempener Bürgermeister, Ehrenbürger und Urgestein der Stadt, ist es auch ein Ort, an dem Stadtgeschichte zu lesen ist, wie in einem Buch. Hermans hat bereits Führungen über das Gelände angeboten: „Am Tag des Denkmals vor einigen Jahren war das Interesse sehr groß.“
Angelegt wurde der Friedhof im Jahr 1824 außerhalb der damaligen Stadtbebauung. Nach Erweiterungen 1846 und 1888 war auf rund 17 400 Quadratmetern Platz für mehr als 900 Grabstätten — so viele sind es aber mittlerweile nicht mehr.
Mittelpunkt der Anlage ist das rund fünf Meter große Hochkreuz aus Trachyt. Schaut man auf die Grabsteine, entdeckt man einige (Lokal-)Prominenz. Das Grab der Kaufmannsfamilie Horten liegt nah am Haupteingang und sieht sehr gepflegt aus. Bekannte Namen sind immer wieder auf den Grabsteinen zu lesen, wie die Familien Basels („Maria-Basels-Stiftung“) und Ercklentz (Haus Ercklentz, Judenstraße), die Kaufmannsfamilie Hubbertz oder Landwirtschaftsfamilien wie Berg, Pesch-Hegger und Birmes-Steves. Das Grab des Heimatforschers Albert Steeger ist hier ebenso zu finden wie das des Historikers Gerhard Terwelp, der anlässlich der 600-Jahr-Feier Kempens die erste Stadtgeschichte herausgab.
Auf dem Grabstein der Gruft der Familie Minten stehen viele Namen der Familienmitglieder. Ein eigener Stein trägt einen ganz anderen Namen: Heinrich Hamelmann, der im Jahr 2012 beerdigt wurde. „Die Familie Minten hatte ein Baugeschäft an der Mülhauser Straße. Als Hamelmann das Geschäft übernommen hat, hat er das Grab mit übernommen“, erklärt Hermans.
Die meisten Flächen werden gut in Schuss gehalten — viele von Friedhofsgärtnern. Einige sind weniger gepflegt. Hier und da ist ein Grabstein in die Jahre gekommen, mit Efeu bewachsen oder teilweise abgebröckelt. Immer wieder gibt es zwischen den Gräbern Rasenflächen. Der evangelische Teil des Friedhofs wirkt schon wie ein Park. Dort gibt es viel Rasenfläche und nur noch wenige Gräber — darunter die verschiedener Pastöre. 1846 erhielt die damals noch kleine evangelische Gemeinde einen Teil des Areals für 70 Grabstätten, das durch eine Hecke abgetrennt war und einen eigenen Eingang hatte.
„Der Friedhof wird leerer“, sagt Hermans. Seit den 1980er Jahren werden schon keine Nutzungsrechte mehr vergeben. Vorhandene Grabstätten können noch bis 2029 von engen Familienangehörigen genutzt und belegt werden. Wenn danach die letzte 25-jährige Ruhezeit abläuft, soll der Friedhof in einen öffentlichen Park umgewandelt werden.
Aber der Friedhof wird sich wohl schneller zum Park entwickeln als vorgesehen, sagt Hermans. Denn nach und nach entscheiden sich immer mehr Menschen, die Pacht für die Grabstellen nicht zu verlängern.
Der Friedhof steht unter Denkmalschutz. Daher werden die Anlage und auch Grabsteine erhalten bleiben. Was künstlerisch oder auch stadthistorisch erhaltenswert ist, wird auch in Zukunft den Park schmücken. Ob am jetzigen Standort oder anders gruppiert, wird dann entschieden. Das Grab des Mundartdichters Wilhelm Grobben ist bereits mit Rasen bewachsen. Der Stein ist aber stehen geblieben. So bleibt die Erinnerung gewahrt.
Einige Grabmale sind aufwendig gestaltet, Skulpturen zeigen Jesus, Maria oder Engel. Vieles wird erhalten bleiben, einiges auch nach und nach verschwinden. Aber die Möglichkeit für einen Moment dem Trubel zu entfliehen und im Schatten der großen, alten Bäume das Vogelgezwitscher zu genießen, wird bleiben.