Gastronomie in Kempen Gastronomie ist auf Einzelgäste eingestellt

<irwordspace style="word-spacing 01875em;"><irglyphscale style="font-stretch 102%;">Kempen</irglyphscale></irwordspace> · Alleine ins Restaurant oder ins Café zu gehen, muss nicht peinlich sein. Was Lokale in Kempen dafür tun, es Gästen auch ohne Begleitung gemütlich zu machen.

Petra Klein mit einem ihrer liebsten Bildbände im Café am Kuhtor.

Foto: Theresa Szorek

Wenn jemand ohne Begleitung ins „Café am Kuhtor“ kommt, um einen Kaffee zu trinken oder sich in der Mittagspause eine Schüssel Lauchsuppe zu genehmigen, bleibt er meist nicht lange allein. Denn Inhaberin Petra Klein kommt gern mit ihren Gästen ins Gespräch. „Wenn die Zeit reicht!“, lenkt sie ein. „Denn wenn viel los ist, komme ich leider nicht immer dazu.“ Viele Besucher kommen regelmäßig, häufig schauen auch Freundinnen und Freunde von Klein vorbei.

Und wer seinen Kaffee in Ruhe genießen möchte, aber keine Lust hat, sein Smartphone zu zücken, kann sich einen der großformatigen Bildbände und eine der Zeitschriften nehmen, die im Café ausliegen: „Trachten“, „Prominent mit Hund“, oder „Hotels zum Verlieben“. „Die sind wunderbar zum Schmökern“; findet Klein. Aber auch ziemlich teuer – mit Schoko-Fingern sollte man also besser nicht darin blättern. Wer mag, kann auch in der „Landlust“ oder der „Vogue“ lesen.

Einzelne Teller werden
in den sozialen Medien geteilt

Solo Dining, also essen gehen ohne Begleitung, liegt offenbar im Trend. Die Reservierungsplattform Opentable verzeichnete in den vergangenen zwei Jahren ganze 29 Prozent mehr Einzelbuchungen als im Vorjahreszeitraum. Experten erklären sich den Trend unter anderem damit, dass immer mehr Menschen alleine wohnen. Obwohl es immer noch Leute gibt, die sich bei dem Gedanken, alleine am Tisch zu sitzen, unwohl fühlen, wird Solo Dining immer gesellschaftsfähiger. In den sozialen Medien teilen Menschen sogar stolz ihren einzelnen Teller – und damit auch ein bisschen das Gefühl, sich überwunden zu haben, um sich selbst was Gutes zu tun. Manche Dinge sind im Kopf eben peinlicher als in der Realität.

Auch die Angst davor, den Kellnern auf die Nerven zu gehen, weil Einzelpersonen weniger Einnahmen generieren, ist in den meisten Fällen unbegründet. „Bei uns ist jeder gern gesehen, ob mit Kind oder Hund, als Gruppe oder alleine“, sagt Brigitte Adams, die mit ihrem Mann Willi Hirschmann „Et Kemp’sche Huus“ und die „Osteria Campunni“ betreibt. In Kempen kenne man sich sowieso, da ergebe sich oft ein Gespräch untereinander. Wer alleine kommt, sitzt gerne am Hochtisch in der Nähe der Theke. Somit entfällt auch die Sorge, dass man als Einzelperson Paaren oder Grüppchen die Tische wegnimmt.

Möglichkeiten, es für Solo-Gäste gemütlicher zu machen, gibt es viele. Manche Restaurants richten extra Einzelplätze ein, andere bringen Fremde an einem Tisch zusammen. Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga bewirbt zum Beispiel den Mischtisch. Den kann man vorab explizit reservieren, oder aber man wird spontan zu jemand anderem dazugesetzt. Das habe laut Dehoga einen weiteren Vorteil: Ältere oder zugezogene Menschen können so schneller Kontakte knüpfen.

Zeitungen gibt es in vielen Restaurants und Cafés, diese werden besonders gerne in der Mittagszeit gelesen. Neben dem „Kemp’sche Huus“ führt auch das „Venga“ welche. „Es gibt Leute, die kommen jeden Tag, setzen sich an die Theke und trinken ein paar Bier oder Kaffee“, erzählt Salvatore Granvillano, der im „Venga“ arbeitet. „Bei uns sind alle herzlich willkommen.“

Für manche ist das Essen gehen ohne Begleitung nur Sinn zum Zweck – in der Mittagspause schmeckt das vom Fachmann zubereitete Schnitzel vielleicht besser als die daheim selbst geschmierte Stulle, und der Arbeitskollege sträubt sich, jeden Tag Geld dafür auszugeben, auswärts zu essen. Für andere hat Solo Dining mit Selbstliebe zu tun. Sie zelebrieren das Essen gehen als Rendezvous mit sich selbst. Auch auf Reisen sind heute mehr Leute alleine unterwegs, laut dem Reiseanbieter GAdventures sind 65 Prozent davon Frauen.

Wie bei so vielen anderen Trends auch dürfte außerdem die Corona-Pandemie ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Menschen sich gerne selbst auf Dates ausführen. Wer während des Lockdowns gelernt hat, alleine essen zu gehen, hat vielleicht Gefallen daran gefunden und ist im Anschluss gleich dabei geblieben – zumindest ab und zu.