Niederrheinisches Freilichtmuseum in Grefrath Neues Reetdach für alte Scheune

Grefrath · Auf die Besichtigung der Hofanlage Hagen im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath müssen Besucher derzeit verzichten. Der Gebäudekomplex ist gesperrt: Die alte Scheune bekommt ein neues Reetdach.

Hoch oben auf dem Dach der alten Scheune in der Hofanlage Hagen arbeiten die Reetdachdecker.

Foto: Birgitta Ronge

Vom Dach der alten Scheune ist ein regelmäßiges Klopfen zu hören. Hoch oben rücken die Dachdecker die Reetbündel zurecht und klopfen sie mit einem speziellen Brett fest. Immer wieder klettern sie rauf aufs Dach und wieder herunter, bringen neue Bündel nach oben. Ausbreiten, zurechtrücken, festklopfen. Und das Reet mit einem feinen Draht an den darunterliegenden Dachsparren befestigen. So soll auch ein Sturm dem neuen Reetdach nichts anhaben können.

Die alte Scheune gehört zum Gebäudeensemble der Hofanlage Hagen, die auf dem Gelände des Niederrheinischen Freilichtmuseums des Kreises Viersen in Grefrath steht. Sie stammt, wie auch das Wohnhaus, in dem eine Dauerausstellung zum Thema „Frömmigkeit und Aberglaube“ zu sehen ist, vom Spenneshof in Viersen-Hagen.

Im 17. Jahrhundert wurden Wohnhaus und Scheune in Hagen errichtet, Anfang der 1980er Jahre dort abgebaut und in Grefrath wieder aufgebaut. Zur Hofanlage Hagen gehören auf dem Museumsgelände auch eine Torscheune aus dem Jahr 1724, die ursprünglich auf dem Hameshof in St. Tönis stand, und eine Art kleiner Berfes vom Fückershof in Schmalbroich-Wall, der einst vermutlich als Speicher genutzt wurde.

Dieses Ensemble ist derzeit für Besucher nicht zugänglich. Denn die Dachdecker brauchen den Platz im Innenhof, um das Scheunendach mit frischem Reet zu decken. 2020 waren die Fachleute der Firma Schmütz aus Oldenburg (Holstein) auch schon da, um das Reet auf Wohnhaus und Berfes teils auszubessern, teils zu erneuern. Immer wieder fallen an den Gebäuden im Freilichtmuseum Instandhaltungsarbeiten an, „wir machen das sukzessive, so wie es fällig ist“, sagt Museumsleiterin Anke Petrat. Zuletzt erneuerte die Firma Schmütz eine Dachseite am Tante-Emma-Laden; jetzt ist die Scheune dran.

So sieht es in der Scheune aus. Ein Teil des Daches musste erneuert werden.

Foto: Birgitta Ronge

Rund 300 Quadratmeter Dachfläche werden bedeckt

Die Scheune sei für eines geradezu ein Musterbeispiel, schrieb Petrats Vorgänger Heinz-Peter Mielke vor Jahren in einem Beitrag: Sie dokumentiere nämlich den großen Holzmangel am Niederrhein und wie der Zimmermann damit fertig wurde. Viele Hölzer innen und außen wurden wiederverwendet, wovon alte Zapflöcher und Bohrungen künden. Vor fünf Jahren stellte sich allerdings heraus, dass das Dach nicht mehr in Ordnung war: „Die Sparren waren vom Holzwurm befallen, er hatte sich komplett durch das Holz gefressen“, berichtet Dietmar Stadler vom Gebäudeservice des Kreises Viersen, beim Kreis zuständiger Architekt für die Arbeiten. Das eigentliche Tragwerk bestehe aus Eiche. Die sei wesentlich widerstandsfähiger als das Nadelholz, das einst für die Sparren verwendet worden war. Durch ein Gutachten wurde festgestellt: Es gab keine Gewähr dafür, dass das Dach noch eine Weile halten würde. So blieb dem Kreis Viersen nichts anderes übrig, als die Scheune für Besucher zu sperren und die Erneuerung von Dach und Reet auf die To-do-Liste zu setzen.

Entsprechend wurden neue Holzbalken aufgesetzt, auf denen das Dachdeckerteam jetzt die Reetbündel aufbringt. Dächer aus Stroh oder Reet waren bis ins 18. Jahrhundert am Niederrhein üblich, wurden wegen der zunehmenden Brandgefahr durch die enge Bebauung in den Ortschaften aber verboten. Dachpfannen oder Schiefer waren Alternativen, aber deutlich teurer. Doch nicht nur aufgrund des Preises griffen Bauern oft weiterhin zu Stroh: Beim Stroh war der Kälteschutz besser. Eine 20 bis 30 Zentimeter dicke Strohschicht hielt Wind, Regen und Kälte sehr gut ab und hielt auch vergleichsweise lange. Bei Dächern aus Hohlziegeln gab es etliche Ritzen, der Wind pfiff hindurch, Regen gelangte ins Haus, und ein Sturm deckte leicht das Dach ab. Als Isolierung stopfte man sogenannte Strohpuppen unter die Ziegel, doch optimal war das nicht.

Reetdachdecker Lars Böckmann klopft das Reet fest.

Foto: Birgitta Ronge

Um die verschiedenen Arten von Bedachungen zu zeigen, die am Niederrhein früher üblich waren, gibt es auch auf dem Gelände des Freilichtmuseums in Grefrath Häuser, die mit Ziegeln gedeckt sind, und Gebäude, die mit Reet belegt sind, wie Anke Petrat erklärt. Vor zwei Wochen begannen die Mitarbeiter von Schmütz damit, der alten Scheune ein neues Reetdach zu schenken, in etwa zwei Wochen wollen sie fertig sein. Wie sie vorankommen, hänge vom Wetter ab, erklärt Reetdachdecker Lars Böckmann – bei strömendem Regen müssen die Arbeiten ruhen. „Aber wir arbeiten auch an den Wochenenden“, sagt Böckmann und fügt augenzwinkernd hinzu: „Eine Pfanneneindeckung ist viel einfacher.“

Rund 300 Quadratmeter Dachfläche müssen an der alten Scheune mit Reet bedeckt werden. Unten liegt das Material etwa 45 Zentimeter dick auf, in der Mitte sind es 35 Zentimeter, „das hält bei einer Dachneigung von 48 Grad auch in etwa so lange“, sagt Böckmann. Voraussetzung: dass das Dach gut gepflegt wird. In den ersten zehn Jahren müsse man gar nichts daran tun, „aber dann sollte man alle fünf Jahre mal draufschauen, Moos entfernen und schadhafte Stellen reparieren“.

Sind die Arbeiten an der Scheune erledigt, können Besucher die Hofanlage Hagen wieder besichtigen. Auch in der Scheune des Spenneshofs soll wieder eine Ausstellung präsentiert werden, kündigt Anke Petrat an. Was genau dort gezeigt wird, müsse man noch entscheiden.