Hoher Besuch zum SPD-Jubiläum

140. Geburtstag feiern die Grefrather Sozialdemokraten. Deshalb kommt am Donnerstag der ehemalige Vize-Kanzler und Bundesvorsitzende Franz Müntefering nach Oedt ins Rathaus.

Grefrath. „Dass der Ortsverein der SPD von einem Landwirt gegründet wurde, ist nun wirklich nicht selbstverständlich“, sagt Werner Reckermann, von 1991 bis 2007 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Grefrather Gemeinderat. Und doch ist es in der Niersgemeinde so gewesen: Mit Paul Mey hat ein Bauer aus der Honschaft Hübeck vor 140 Jahren in Alt-Grefrath den Sozialdemokraten den Weg geebnet. Das wird nun gefeiert: Am Donnerstag kommt Franz Müntefering (73), ehemaliger Vize-Kanzler, Bundesvorsitzender und Bundesminister, nach Oedt.

Laut Chronik der SPD gründete Mey mit seinem Freund Heinrich Weggen einen Diskutierklub. Jeden Sonntag redeten sie über die Idee des Sozialismus. Damals war es sehr gefährlich, Sozialist zu sein. Reinhard Wolters stellte als erster Wirt seine Lokalität zur Verfügung. Von der Kanzel tobte der Pfarrer gegen den „gottverlassenen Wirt“, der es gewagt hatte, „die verfluchten Roten aufzunehmen“.

Im Jahr 1900 gründeten einige junge Genossen eine feste Organisation der SPD. Im Dezember 1919 trat die SPD zum ersten Mal bei den Gemeinderatswahlen an. Sie erhielt 743 von 2101 Stimmen. In den 1920er-Jahren — in Zeiten galoppierender Inflation — war es schwierig, einen Beigeordneten für die Gemeinde zu finden. Als die SPD sich anbot, stellte die stärkste Partei, das Zentrum, einen Kandidaten. Zweiter Beigeordneter wurde der Genosse Johann Heymanns.

Wann genau die SPD in Oedt gegründet wurde, ist nicht bekannt. Aus einer Aktennotiz des Oedter Bürgermeisters vom Juni 1904 geht hervor, dass der Vorstand des Kreiskomitees der Partei seinen Sitz vorläufig in Oedt haben sollte. Zu diesem Zeitpunkt hat die SPD dort wohl schon mehrere Jahre bestanden.

Im Dritten Reich, unter den Nationalsozialisten, war die SPD verboten. Trotzdem trafen sich die Sozialdemokraten weiter privat, pflegten Kontakte und leisteten auch Widerstand. So wurden unter anderem über Venlo Zeitungen nach Deutschland geschmuggelt und umgekehrt Informationen über Nazi-Deutschland ins Ausland gebracht. Als die Gestapo die Organisation aufrollte, mussten Sozialdemokraten nach brutalen Verhören für Jahre ins Zuchthaus. Bei fünf Genossen in Grefrath und Oedt ist eine Verfolgung nachgewiesen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Partei neu gegründet. Erste Sitzungen von Gemeinderäten gab es im Dezember 1945. Auch danach gab es Herausforderungen für die Gemeinde und die SPD. Im Jahr 1970 stand die kommunale Neugliederung an und die SPD setzte sich mit der CDU dafür ein, dass Grefrath und Oedt zusammen eine Gemeinde bildeten. Alternativ stand im Raum, Grefrath zu Süchteln und Oedt zu Kempen zu zählen.

Seit der Kommunalen Neugliederung 1970 — seitdem bilden Oedt und Grefrath eine Gemeinde — ist die SPD im Grefrather Gemeinderat immer zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Das beste Ergebnis verzeichnete sie 1994 mit 38,7 Prozent, das schlechteste fünf Jahre später mit 30,6 Prozent. 2009 erhielten die Sozialdemokraten 31,2 Prozent der Stimmen und elf Sitze im Rat.

Obwohl die CDU die stärkste Fraktion ist, gestalten die Sozialdemokraten die Gemeinde mit. Jüngst zeigten sie das in Zusammenarbeit mit Grünen und FDP. Die „Ampel“ entschied, dass das Grefrather Rathaus in ein ehemaliges Johnson-Controls-Gebäude umziehen soll.