Kampfkunst für den Alltag

Selbstverteidigung: In St. Hubert wird seit einiger Zeit Wing Tsun gelehrt. Der Sport stammt aus China. Während bei einem wirklichen Überfall der Selbstschutz im Vordergrund steht, muss die Kraft im Training richtig dosiert werden.

St. Hubert. "Beide Hände festhalten, jetzt ein Fußtritt in den Bauch. Würg ihn von hinten!" Jonas Heenen trägt Jogginganzug und Handschuhe, steht allein in der Mitte des Raumes. Nachein-ander gehen vier Männer auf ihn los, das vermeintliche Opfer jedoch wehrt sie ab und geht seinerseits auf die Angreifer los. Einer nach dem anderen landet auf dem Boden oder an der Matte an der Wand.

Norbert Klein ist zufrieden. Heenen hat seine Kommandos beherzigt und eine der wichtigsten Regeln des Wing Tsun umgesetzt: Abwehr und Gegenangriff erfolgen unmittelbar nacheinander, die Kraft des Angreifers wird somit genutzt und gegen ihn verwendet.

"Wenn mich jemand verletzen will, dann reicht es nicht, den Angriff abzuwehren, sondern ich muss sofort selbst in die Offensive gehen. Wing Tsun ist absolut alltagstauglich", erklärt Klein, der die 250 Jahre alte chinesische Selbstverteidigungs-Kunst in St. Hubert unterrichtet.

Dementsprechend ist so gut wie alles erlaubt, was den Gegner außer Gefecht setzt. "In die Mitte des Körpers vorstoßen", lautet ein weiterer Grundsatz; denn dort befinden sich empfindliche Körperteile wie Blase und Genitalien.

Mit Ausnahme von Stöcken und Messern, also Waffen, mit denen man auch in der Realität konfrontiert werden könnte, werden beim Wing Tsun keine Gegenstände eingesetzt. Ebenso gibt es keine karate-typischen meterhohen Tritte, die nur in Trainingskleidung ausgeführt werden können.

Während bei einem wirklichen Überfall der Selbstschutz im Vordergrund steht, muss die Kraft im Training richtig dosiert werden. "Wing Tsun ist durchaus eine ernstzunehmende Verteidigungsart", betont Klein. Verletzungen während der Übungen würden allerdings selten vorkommen.

"Wir sind hier kein Schlägertrupp, keine Hirnlosen, die sich gerne verkloppen. Wing Tsun ist eine intelligente Kampfkunst", sagt Axel Wimmer, der den Sport schon seit Jahren betreibt. Tatsächlich läuft das Training zivilisiert ab, auf schnelle und aggressive Angriffe folgen Pausen, in denen sich die Schüler sammeln und neu aufstellen. Am Ende steht die obligatorische Abschluss-Zeremonie mit Verbeugung vor dem chinesischen und dem europäischen Großmeister.

Seit Anfang des letzten Jahres treffen sich um die sechs Männer, die vor ein bis sieben Jahren zum Wing Tsun gefunden haben, zum Training an der Bellstraße 70. "Natürlich sind wir auch für interessierte Anfänger offen, und prinzipiell auch für Frauen. Nur Kinderkurse gebe ich nicht", informiert Norbert Klein.

Entstehung: Wing Tsun entstand in China und wurde lange nur in der dortigen Familientradition weitergegeben.

Technik: Wing Tsun beinhaltet alle Kampfdistanzen: die weite Distanz mit Fußtechniken, die mittlere mit Handtechnik und die Nahdistanz mit Würfen und Bodenkampf.

Training: Für interessierte Erwachsene bietet Norbert Klein samstags nach Absprache ein Probetraining an.