Reihe „musica antica e viva“ Zwiegespräch zwischen mitteldeutscher und katalanischer Barockmusik
Kempen · Das Salzburger Ensemble „BachWerkVokal“ gastierte in der Reihe „musica antica e viva“ der Kempener Klosterkirche. Die Leitung hatte Gordon Safari.
(hkl) Das Ensemble „BachWerkVokal“ Salzburg gastierte in der Reihe „musica antica e viva“ der Kempener Klosterkirche. Acht junge, gut geschulte Sängerinnen und Sänger, unter der Leitung von Gordon Safari, hatten sich ein außergewöhnliches Programm vorgenommen: Johann Sebastian Bach und Francesc Valls, ein Zwiegespräch zwischen mitteldeutscher und katalanischer Barockmusik, sechs Bach- und elf Valls-Motetten.
Ein durchaus kühnes Unterfangen, wie sich im Konzert bestätigen sollte. Bachs Motetten sind Monolithen des Spätbarocks. Sie stehen in der Tradition der Vokalpolyphonie, die im 16. Jahrhundert zu höchster Blüte gelangt war. Auf engem Raum kommen alle verfügbaren Satztechniken, kontrapunktisch und konzertant, Choralsatz und Doppelchörigkeit, zum Einsatz. Mit seinen sieben Motetten erreicht Bach endgültig den Parnass dieser Gattung.
Denen gegenüber standen in loser Programmfolge Werke Francesc Valls (1671-1747), eines Komponisten und Kapellmeisters an der Kathedrale zu Barcelona, der selbst bei chorischen Insidern so gut wie unbekannt ist. Ob er als spanischer Carlo Gesualdo angesehen werden kann, wie Safari in der Vorstellungsrunde vermutete, blieb offen. Jedenfalls war in seinen Kompositionen so gut wie nichts zu hören von der hochentwickelten Ausdruckskunst des italienischen Gesualdos da Venosa, jenem Wechselspiel zwischen schwelgerischer Erotik und flagellantischer Todessehnsucht.
Die Werke Francesc Valls, drei bis sechsstimmige Motetten, Canones sind eher musikalische Miniaturen, oft klanglich stereotyp, zuweilen konduktartig daherkommende Klangereignisse, die so gut wie nichts mit Bachs überaus lebendiger und höchst variabler Klangkunst gemeinsam haben. Wäre da überhaupt ein Zwiegespräch zwischen Bach und Valls möglich?
Barocke Klangpracht kam bei den fünf Bach-Motetten auf. Warum indes wenigstens nicht eine der beiden Bachschen „Kronjuwelen“ zu hören war – Singet dem Herrn ein neues Lied (BWV 190) und Jesu, meine Freude (BWV 227) – bleibt wohl ein weiteres Geheimnis der Programmgestaltung.
„BachWerkVokal“ gelang die Umsetzung der höchst anspruchsvollen Partituren Bachs gut. Klangliche Strahlkraft, präzise Intonation, leuchtende Höhen, perlende Koloraturen und versierte Artikulation verwiesen auf eine intensive Schulung des 2015 gegründeten Ensembles. Gordon Safari geleitete seine Schar mit knappen Gesten über die zahlreichen gefährlichen Klippen der Partituren, ohne aber interpretatorisches Neuland zu betreten.
Warum gerade die Choräle immer noch im Tempo ordinario, ohne nachspürende Textausdeutung musiziert wurden, blieb offen. Und warum die finale Glaubenszusage „Fürchte dich nicht, du bist mein!“ (BWV 228) im Piano endete, machte geradezu stumm. Die Zuhörer jedenfalls dankten mit langem Applaus.