Zukunft des Verkehrs Radfahrerzonen für Kempen?
Kempen · Im neuen Radverkehrskonzept geht es um eine zukunftsträchtige Ausrichtung des Wegenetzes – und um die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern.
Dass Kempen das Siegel „Fahrradfreundliche Stadt“ verdient hat, wurde Politik und Verwaltung nun von Gutachtern bestätigt. „Sie haben hier in den vergangenen Jahren schon viel richtig gemacht“, sagte Andrea Fromberg vom Planungsbüro Via. Das Büro aus Köln sowie die Kollegen aus der Planersocietät in Dortmund haben für die Stadt ein neues Radverkehrskonzept aufgestellt. Auf 139 Seiten sind unter anderem 369 Einzelmaßnahmen zu finden. Damit das, was in Kempen gut läuft, besser wird. Und vor allem zukunftsgerichtet. Denn durch den gesellschaftlichen Wandel in Sachen Klimaschutz soll und wird der Radverkehr zunehmen.
Die Vorschläge der Planer, die in Arbeitskreisen und Bürgerversammlungen abgestimmt worden sind, waren am Dienstagabend Thema im Ausschuss für Umwelt, Planung und Klimaschutz (UPK). Expertin Fromberg skizzierte mögliche Maßnahmen, die auch immer wieder in anderen Städten vorgeschlagen würden. Aber auch spezifische Ideen für Kempen.
Radzonen in den
innerstädtischen Bereichen
Bei diesen spezifischen Themen ist vorneweg ein Zonenmodell zu nennen. Dieses sieht vor, dass die innerstädtischen Bereiche von Kempen (innerhalb des Außenrings), St. Hubert und Tönisberg sowie das neue Wohngebiet Kempener Westen zu Zonen werden, in denen es nur noch Tempo-30-Straßen bzw. Fahrradstraßen gibt. Außerhalb dieser Zonen mit Straßen von Tempo 50, 70 und 100 hätte der sogenannte motorisierte Individualverkehr (MIV) – also Autos und Co. – Vorrang. In diesem MIV-Gebiet soll es dann geeignete Fahrradrouten geben, die die Stadtteile untereinander vernetzen. Ebenso soll es Wege in die Nachbarkommunen geben. So sei ebenso vorgesehen, dass Kempen Bestandteil des Schnellradwegs von Krefeld nach Venlo wird.
Die Idee der Zoneneinteilung ist unter anderem entstanden, um das Problem von zu schmalen Rad-/Fußwegen innerorts aufzuheben. „Sie haben Bereiche, in denen der Fußverkehr schlichtweg vergessen worden ist“, so Fromberg. Am gravierendsten ist das Problem entlang der Berliner Allee. Solche Breiten seien nicht mehr zulässig. Ein Problem, das die Stadt Kempen schnellstmöglich lösen müsse. Die Idee der Planer: Die Wege neben der Fahrbahn bleiben den Fußgängern überlassen. Dafür kommen die Radler auf die Straße, auf der dann nur noch 30 km/h gefahren werden darf.
Radler auf Tempo-30-Straßen
als gute Lösung angesehen
Im Nachfrage-Teil der Sitzung äußerte Grünen-Ratsherr Michael Rumphorst seine Überraschung ob dieses Ansatzes: „Da hätte ich im Traum nicht dran gedacht, dass so etwas funktioniert.“ Es sei aber so, wie Fromberg erläuterte. Das hätten Erfahrungen in anderen Kommunen gezeigt. Es sei für Radfahrer weniger gefährlich im Fließverkehr unterwegs zu sein als beispielsweise häufiger eine Fahrbahn überqueren zu müssen. Und Kinder bis zehn Jahre dürfen und sollen ohnehin auf dem Gehweg fahren.
Altstadtring: Eine Spur für Autos und eine Spur für Radfahrer?
Eine weitere Idee hat mit dem Altstadtring zu tun. „Weil es auf dem Ring zweispurigen Autoverkehr gibt, kam uns die Idee, ob nicht eine Spur zur Radspur werden kann“, sagte Andrea Fromberg. Es gebe ja ohnehin schon räumliche und zeitliche Abschnitte, in denen der rechte Streifen des Rings zum Parken und eben nicht zum Fahren genutzt werde.
„Ich betone ausdrücklich, dass das eine Idee ist. Sie müssen vor Ort prüfen, ob das eine Chance hat“, so die Planerin. Sie schlug vor, eine Testphase auf dem Donkring im Bereich des Mülgauwegs durchzuführen. Dieser Weg wird von vielen Radlern aus dem Kempener Süden in Richtung Altstadt genutzt.
Großes Lob hatte die Planerin für die Kempener Radwege auf den Bahntrassen sowie in den Grüngürteln der Gebiete „Hagelkreuz“ und „Kreuzkapelle“. Diese Radwege im Grünen könnten durch eine Verbindung vom neuen Kempener Westen in Richtung Innenstadt ergänzt werden – entlang bzw. auf dem Gelände des Ludwig-Jahn-Sportplatzes.
Weitere Maßnahmen, die auch in anderen Kommunen zum Tragen kommen, seien die Öffnungen von Einbahnstraßen für den Radverkehr. Während ein Auto also nur eine Richtung fahren darf, dürfen Radler beide nutzen. Als Versuchszone schlagen die Planer die Königsstraße in St. Hubert vor (die WZ berichtete). Die Umsetzung dieser Öffnungen sei in anderen Städten und Gemeinden zu einem echten Gewinn geworden, so Fromberg. Zudem sei die Maßnahme für St. Hubert schon im bestehenden Kempener Radkonzept aus den 90er Jahren vorgeschlagen worden.
Für mehr Sicherheit sollte die Stadt Kempen vermehrt auf Schutzstreifen für Radler auf der Straße setzen als auf abgetrennte Radwege. Das könnte das Unfallrisiko an den Einfahrtsstraßen minimieren. Denn derzeit gebe es in Kempen entsprechende „Hot-Spots“ – zum Beispiel im Bereich St. Huberter/Arnoldstraße, wo Radfahrer und Fußgänger schlichtweg übersehen würden.
Ein Paket mit 369 Maßnahmen umzusetzen, wäre für jede Kommune ein Kraftakt. Daher müssen Politik und Verwaltung nun Prioritäten setzen. Die Fraktionen werden sich jetzt intensiv mit dem Papier auseinandersetzen. „Sie müssen sich bewusst sein, dass sie sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen brauchen werden“, sagte die Gutachterin. Grob überschlagen kämen bei einem Komplett-Paket mehr als elf Millionen Euro auf die Stadt zu. Die Maßnahmen, die laut Experten höchste Priorität haben, schlagen mit rund vier Millionen Euro zu Buche.
Über konkrete Richtungen in Sachen Radkonzept soll im nächsten Sitzungszyklus entschieden werden. Beginnend mit dem UPK-Ausschuss am 25. November und abschließend im Stadtrat am 17. Dezember. Das komplette Konzept steht auf der Internetseite der Stadt Kempen zum Download zur Verfügung: