Gastbeiträge Die Weihnachtsbotschaften aus den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden Heiligabend in den Kirchen
Die Weihnachtspredigten aus den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden.
Von Rolf Klein, Pfarrer der evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde in Willich:
„Sie haben Ihr Ziel erreicht!“ – Hätten die Heiligen drei Könige ein Navigationsgerät besessen, hätten sie am Stall von Bethlehem diese Botschaft gehört. Drei mächtige und weise Männer haben sich auf einen weiten Weg gemacht, um vor einem Kind, einem der Kleinen und Schwachen in die Knie zu gehen.
Das ist ungewöhnlich, unkonventionell. Wir würde eher erwarten, dass die Kleinen sich auf den Weg zu den Mächtigen machen.
„Sie haben Ihr Ziel erreicht!“, das trifft auch für Gott selber zu. Er hat in Bethlehem das Ziel des Weges erreicht, der in der Schöpfung beginnt. Und auch das ist ungewöhnlich, unkonventionell.
Nicht der Mensch muss Gottes Nähe suchen, seine Liebe und Zuwendung erreichen. Gott selbst macht sich auf den Weg zu den Menschen und hat mit der Geburt, die der Grund des Weihnachtsfestes ist, sein Ziel erreicht.
Gottes Liebe und Nähe zu uns Menschen, die Gestalt gewinnt im Kind in der Krippe, die so selbst Mensch wird, feiern wir jedes Jahr in Gottesdiensten, in den Familien, mit Geschenken, vor allem aber durch Begegnungen mit geliebten Menschen, verbunden mit je eigenen Traditionen.
Ob wir es in diesem Jahr wieder wie gewohnt tun können, steht zum Zeitpunkt, da ich diese Gedanken formuliere, noch nicht fest. Fest steht, dass das Jahr, das nun bald zu Ende geht, wieder ein Jahr im Zeichen von Corona war, ein Jahr voller Erwartungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, denn im Sommer durften wir doch so etwas wie Normalität erleben und genießen. Das scheint jetzt schon wieder in weiter Ferne zu liegen. Corona hat uns wieder fest im Griff.
Viele Menschen sind krank geworden, zu viele Menschen sind gestorben. Und es scheint, als sei die Krise noch nicht überwunden.
In der Flutkatastrophe des Sommers haben wir einerseits Hilflosigkeit, andererseits Hilfsbereitschaft erlebt. „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“, das können sich die freiwilligen Helferinnen und Helfer sagen lassen.
Ob wir in den kommenden Tagen unser Ziel erreichen, hängt maßgeblich von unseren Erwartungen ab. Gemütlichkeit, Begegnung, Fürsorge und Zeichen der Liebe sind Erwartungen oder Ziele, die ganz viele von uns verfolgen. Ob wir sie erreichen, hängt nur zum Teil von uns selbst ab. Aber es hängt eben auch von uns selbst ab: von unserer Hoffnung, unsrem Vertrauen, unserer Ausrichtung.
Gott hat in der Geburt des Kindes im Stall sein Ziel erreicht. Von diesem Ziel lässt er sich durch nichts und niemanden abbringen. Darauf zu vertrauen, gibt Mut, Kraft und Zukunft.
Ich wünsche Ihnen gesunde und gesegnete Weihnachten.
Von Propst Thomas Eicker, Leiter der katholischen Gemeinschaft der Gemeinden Kempen-Tönisvorst:
Die Feier von Weihnachten ist wie ein Geschenk des Himmels. Es geht um eine Intervention von oben. Ein göttlicher Einspruch gegen allen menschlichen Größen- und Machbarkeitswahn. Also kein Eiapopeia zum Einschlafen und kein Anlass, sich die harte Wirklichkeit schön zu feiern. Weihnachten lenkt den Blick auf eine Alternative zur Welt, die sich oft als das Tummelfeld der Starken, Mächtigen und Rücksichtslosen zeigt.
Die bekannte Geschichte im Lukasevangelium bringt das zum Ausdruck: Weder Kaiser Augustus, der Möchtegern-Gott, noch sein lokaler Statthalter Quirinius setzen den neuen Anfang, sondern ein Kind am Rand der Welt. Die neu aufgelegten Steuerlisten ordnen vielleicht Daten, aber ein anderer bringt eine neue Ordnung ins Spiel der Welt. Als es heißt: „Ein Thronfolger ist geboren“, starren alle sofort auf die Paläste. Mit einem Tierstall hätte keiner gerechnet. Auch die Frommen, die sich und anderen gerne die Welt erklärten, haben sich geirrt: Der große Gott kommt winzig klein. Und zwar als Kind.
Das ist kein politischer Umsturz aus der Höhe. Da kommen keine Truppen von Gottes Gnaden. Stattdessen ein kleines und schutzbedürftiges Geschöpf, leicht zu übersehen und sehr verletzlich. Wenn dieses Kind groß ist, wird es mit einer Botschaft aufwarten, die Gott die Ehre gibt und den Menschen Frieden bringen kann. Es ist eine Botschaft, die von einer grenzenlosen Liebe durchdrungen ist und die den Armen und Schwachen Hoffnung schenkt. Auch die Starken und Erfolgreichen gehen nicht leer aus: Sie entdecken, dass ein geteiltes und ein sich verschenkendes Leben Sinn und glücklich macht.
An Weihnachten feiern Christinnen und Christen, dass das Leben eine Gabe des Himmels ist. Unverfügbar und mit Ehrfurcht zu begegnen. Gerade in dieser Zeit, die viele ängstlich sein lässt und die uns spüren lässt, dass menschliches Wissen und Leisten nicht alles vermag. Aber als Gabe Gottes ist uns etwas sehr Kostbares anvertraut: die Fähigkeit zu lieben, mitzufühlen, sich anrühren zu lassen und von sich selbst und der Jagd nach dem eigenen Vorteil abzulassen. So kann an die Stelle von Enttäuschung über Nichterreichtes Dankbarkeit für das Mögliche treten.
Die Begegnung mit dem Kind in der Krippe ist dabei eine Hilfe. Jeder, dessen Herz sich berühren lässt, geht behutsam mit dem zur Welt kommenden Leben um. Es darf nicht gefährdet oder bedroht werden. An Weihnachten spüren wir Menschen intensiver als sonst, dass wir nur dann eine Zukunft haben, wenn wir das Leben aller schützen und bewahren. Alle notwendigen Einschränkungen der kommenden Wochen werden dann ihren Sinn erhalten und erträglich sein, wenn uns klar ist, dass sie aus Rücksichtnahme und Liebe geschehen. Wer Weihnachten feiert, erinnert sich an Jesus von Nazareth, der die menschgewordene Gottesliebe verkörpert. Und er verinnerlicht eine Menschenliebe, die behutsam mit sich selbst und mit allen anderen ist.
Allen Leserinnen und Lesern und ihren Angehörigen wünsche ich, dass die Feier von Weihnachten die Freude am eigenen Dasein und am Leben aller, die uns begegnen oder von denen wir hören, erneuert. Und für das neue Jahr viel Mut, für das oft so bedrohte und zerbrechliche Leben einzutreten!