Martins-Gruppe verhüllt

Kempener Realschüler haben sich als Christo betätigt.

Foto: Lübke

Kempen. „Lass mal bisschen locker den Stoff, Loretta!“ ruft Emily (15). Stimmt, bei der Kante von der Martinsfackel muss man aufpassen, damit nichts reißt. Loretta ist eine von 13 SchülerInnen des Kunst- Wahlpflichtkurses (WP) 9 der Kempener Realschule.

Das Team macht Kunst vor Ort und Verpackung am Denkmal — an der St. Martinsgruppe auf dem Buttermarkt. Auf einem Podest sind fünf Figuren dargestellt, die alle Kempener kennen: Zwei Kinder als Fackelträger; eins, dem seine Bloese-Tüte hingefallen ist und das nun auf dem Boden nach Plätzchen aus der Beukelaer-Prinzenrolle sucht. Ein erwachsener Helfer, der einem Kind die Kerze im Lampion anzündet.

Weil die Skulptur auf Initiative des Kempener St. Martinsvereins entstand, für den wie kein anderer Kempens langjähriger Bürgermeister und Ehrenbürger Karl-Heinz Hermans steht, wird es im Volksmund auch „Herman(n)s-Denkmal“ genannt - Anspielungen auf den Teutoburger Wald sind beabsichtigt.

Ganz professionell verpacken die Jugendlichen nun die Figuren und Objekte. Man merkt: Sie sind selbstständiges Arbeiten gewöhnt. Kunsterzieherin Gudrun Jeske steht daneben und freut sich. Über den Eifer. Und über die Idee. Die kam, als der Kurs im Januar in Düsseldorf die Ausstellung „Hinter dem Vorhang. Verhüllung und Enthüllung seit der Renaissance“ besuchte.

Der VW-Käfer, von Verpackungskünstler Christo 2004 in gelben Stoff geschnürt, brachte den Entschluss: „Das machen wir auch in Kempen!“ Wo die Wahl dann auf die Martins-Gruppe fiel, Sinnbild für das Brauchtum dieser Stadt.

Absicht der Aktion: Einmal die Auseinandersetzung mit moderner Kunst suchen. Vor allem aber: Die Umwelt bewusster wahrnehmen. „Die Menschen sehen das Denkmal jeden Tag und denken sich nicht mehr viel dabei“, sagt Josann (15). „Jetzt, wo es verpackt ist, werden sie aufmerksam. Was sonst alltäglich für sie ist, weckt Neugierde und regt Gefühle an. Am Freitag wird es wieder enthüllt, dann gucken die Leute bestimmt noch mal hin, aber diesmal genauer. Und nehmen vielleicht Details wahr, die sie sonst übersehen. Zum Beispiel, dass eine Fackel den Davidsstern statt des üblichen Sterns aus dem Stadtwappen zeigt.“

Mondsichel für den Islam, Davidstern für die Judenheit, dazu das Stadtwappen, das der Muttergottes gewidmet ist: Ein Aufruf zum Frieden zwischen den Weltreligionen. Wer wusste das bisher in Kempen?