Nettetal: Falscher Arzt wegen Körperverletzung vor Gericht
Der 45-Jährige Angeklagte, der am Dienstag beim Prozessauftakt vor dem Krefelder Landgericht keine Angaben machte, leidet unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung.
<strong>Nettetal/Viersen/Krefeld. "Ich möchte nicht, dass fotografiert wird", ruft Hans Peter B. als er den Gerichtssaal 157 im Krefelder Landgericht betritt. Einen Verband am rechten Fuß, gestützt auf eine Krücke, humpelt der 45-jährige Angeklagte hinein. Die Foto- und TV-Kameras auf ihn gerichtet, verbirgt er sein Gesicht unter seinem grauen Sweatshirt. So vermummt legt er seinen lädierten Fuß auf den Tisch der Anklagebank. Selbst seine drei Verteidiger können sich dabei ein kurzes Lächeln nicht verkneifen. "Das könnte man als Missachtung des Gerichts deuten", meint ein Anwalt. Prompt wandert der Fuß nach unten. Vermeintlicher Arzt soll Körperverletzung in 34 Fällen begangen haben Mag der Prozessauftakt amüsant anmuten, so erschreckend und zugleich abenteuerlich ist die Anklage gegen den 45-Jährigen. Weil sich B. zwischen September 2000 und September 2001 als Arzt ausgab und in Nettetal und Viersen "Patienten behandelte", muss er sich wegen gefährlicher Körperverletzung in 34 Fällen und führen einer falschen Berufsbezeichnung in vier Fällen vor der zweiten großen Strafkammer verantworten. Angeklagter leidet unter Persönlichkeitsstörung Wie viele Menschen letztlich von "Dr. med. Hans B." in irgendeiner Form behandelt wurden, scheint nicht fest zu stehen. Drei Fälle sind angeklagt. Indizien weisen auf noch mehr Fälle hin. Dabei scheint der Angeklagte selbst ein Fall für die Medizin zu sein. Zwölfmal stand Hans Peter B. bereits seit 1985 vor Gericht. Zwölfmal wurden die Verfahren gegen ihn (unter anderem wegen Diebstahls und Betrugs) wegen verminderter Schuldfähigkeit eingestellt, weil er unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. "Zu prüfen ist die Unterbringung von Herrn B.", meint der Vorsitzende Richter Herbert Luczak. Erst Arzt, dann 400 Jahre alter Engel Angaben zu seiner Person und zur Sache wollte B. nicht machen. "Ich bin müde. Ich habe kein Interesse", verkündet der Angeklagte. "Ich mache grundsätzlich keine Angaben." Er zog es fortan vor, während der Verhandlung zu dösen. Also musste Luczak aus den Akten zitieren - ein Sammelsurium an (fast) unglaublichen Beweismitteln angesichts der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten. Mit vielen "lieben Kollegen" pflegte B. einen regen, fachkundlichen Briefwechsel über die Krankheiten seiner Patienten. Ein Radiologe bedankte sich bei B. für die "Überweisung seiner Tante". Der fand bei der Untersuchung der Leber der "Tante" nichts. Dafür soll B. der Frau erklärt haben, sie leide unter Leberkrebs. "Er bezeichnete sich als 400 Jahre alter, wieder geborener Engel", gab diese Geschädigte später zu Protokoll.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in Lobberich entdeckte die Polizei medizinische Fachliteratur und frei zugängliche Medikamente in nicht geringer Menge. Auch Krankenakten, CT-Aufnahmen und Patientenfragebögen wurden sichergestellt. Eine medizinische Vorausbildung besaß B. wohl nicht. Anfang der 90er-Jahre war er als Selbstständiger im Einzelhandel, Bereich Tiernahrungsmittel, tätig.
Per Haftbefehl wurde B. seit Juli 2006 gesucht. Im März 2007 stellte er sich der Polizei. In sprachlich geschliffenen Schreiben wehrte sich "Dr. med. Hans B." vorab unter anderem bei der Staatsanwaltschaft Krefeld vehement gegen die Beschuldigungen, er habe sich als Arzt bezeichnet. Als diese nicht auf seine Schreiben reagierte, beschwerte er sich beim Generalstaatsanwalt über die Krefelder. In einem anderen Fall gab sich Hans Peter B. übrigens als Rechtsanwalt aus.
Überdauerndes Muster von emotionaler Instabilität und Impulsivität, inkonstante und krisenhafte Beziehungen ausgeprägter Angst, vor dem Verlassenwerden impulsive - häufig auch selbstschädigende - Verhaltensweisen, instabile und wechselhafte Stimmung, multiple und wechselnde psychogene Beschwerden, Identitätsunsicherheit, dissoziative und paranoide Symptome unter Stress.