Grefrath „Rapper tun keiner Fliege etwas“
Bei dem Hip-Hop-Konzert im Jugendzentrum „Dingens“ gingen aber manche Texte deutlich unter die Gürtellinie.
Grefrath. Der tiefe Bass pumpt aus dem Jugendzentrum „Dingens“ quer über den Rathausplatz. Vor der Tür regeln zwei in Schwarz gekleidete und muskelbepackte Männer den Einlass. Zwei qualmende Feuertonnen rahmen sie ein. Von außen betrachtet erfüllt die vierte Auflage des Hip-Hop-Konzerts „Jam to the Beat“ manches Klischee.
Zahlreiche junge Leute sind am Samstag für das Event nach Grefrath gekommen, viele auch aus anderen Orten. Das ist nicht verwunderlich, denn kaum eine Musikrichtung prägt Jugendkultur derzeit so wie der Hip-Hop. Dazu gehört zum Beispiel ein fester Dresscode. Die Jungs, die vor der kleinen Bühne stehen, tragen Cap, Kapuzenpulli und Jogginghose. Bei den paar Mädels, die sich an diesem Abend ins „Dingens“ verirrt haben, gehören Schuhe von Nike zur Standardausrüstung.
Kurz vor Konzertbeginn lässt Veranstalter Daniel Bär-Steger die letzte Jalousie herunter, so dass kein Tageslicht mehr ins Jugendzentrum fällt. Dann macht er sich auf den Weg zur Bühne. Dort heißt er nicht mehr Bär-Steger, sondern „Snypex“. Auf dem Weg dahin begrüßt er seinen Moderator „Diggen“ — natürlich im fürs Genre klassischen Prozedere. Erst kommt das Einschlagen der Hände, danach schlägt die linke Schulter des einen kurz auf die rechte des anderen.
Auf der Bühne wabert der Kunstnebel, Dj Monami liefert den Hintergrundsound. Moderator „Diggen“ macht das Publikum heiß, ruft „Macht mal Lärm!“ Ein Satz, der in jedem seiner Redeparts an diesem Abend mindestens einmal vorkommt. Ohnehin geht es auch beim Publikum um möglichst lässige und coole Ausdrucksweise. Man begrüßt sich mit „Diggah“ oder „Bruder“, obwohl fraglos kein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt. Wenn irgendetwas schön ist, bezeichnet man es als „Lackschuh“.
Veranstalter Bär-Steger erläutert seinem Publikum den höheren Sinn des Abends: „Ein Teil der Erlöse geht an die Stiftung Deutsche Leukämie“. In allen seinen vier Auflagen habe „Jam to the Beat“ einen guten Zweck gehabt, erläutert Bär-Steger stolz: „So möchte ich der Musik das asoziale Image nehmen.“ Auch mit der musikalischen Besetzung zeigt sich der 26-Jährige, der in Oedt aufgewachsen ist, zufrieden. Für die insgesamt 16 Auftritte am Konzertabend habe er Künstler aus ganz Deutschland gewonnen, berichtet der hauptberufliche Kanal- und Straßenbauer.
Natürlich lässt sich Bär-Steger den ersten Auftritt nicht nehmen. Die Musik der meisten Rapper ist schnell zusammengefasst: coole Beats, fragwürdige Texte. Da sind die Hobbykünstler nicht anders als die großen Namen des deutschen Rap und Hip-Hop wie Kollegah, Bushido und Haftbefehl. Lyrisch geht es eigentlich immer um die gleichen Dinge. Der Künstler beschreibt, dass er ein ziemlich brutaler und gefährlicher Typ ist. Da gibt es dann Zeilen vom Format „Ich geb jedem Steinewerfer Schwanz“ oder „Fick dich und ruhe in Scheiße“.
Und obwohl die meisten der Rapper im „Dingens“ kleine Lichter der Szene sind, feiern sie sich in ihren Texten selbst als Spitze des deutschen Hip-Hop und fleischgewordene Legenden. Veranstalter Bär-Steger möchte solche Texte nicht überbewertet wissen. Schließlich seien die Musiker auf der Bühne eine Kunstfigur: „99 Prozent der Rapper sagen, dass sie jeden umbringen. Aber in Wahrheit können sie keiner Fliege etwas tun.“ Seine Musik habe zudem wirkliche Botschaften: „In meinem neuen Album kritisiere ich zum Beispiel Radikale wie Nazis und Salafisten und den ganzen Müll.“ Bär-Stegers Argumentation ist wohl für jeden nachvollziehbar. Aber ob die vielen Jugendlichen im Publikum die Texte differenziert einordnen können und nicht die falschen Schlüsse ziehen, ist fraglich.