Grefrath Schüler sind mittendrin im Mittelalter

Im Vorfeld des Mittelaltermarktes am Wochenende im Freilichtmuseum werden Führungen für Kinder angeboten. Die WZ besuchte das ritterliche Lager in Grefrath.

Grefrath: Schüler sind mittendrin im Mittelalter
Foto: Georg Salzburg

Grefrath. Die Musikanten ziehen vorneweg, dahinter der Graf, und zum Schluss das gemeine Volk. So war das damals im 13. Jahrhundert, erklärt Heinrich Graf von Virneburg eben jenem gemeinen Volk, das im Jahre 2016 aus einer fünften Klasse der Anne-Frank-Gesamtschule Viersen und zwei Lehrerinnen besteht. Die aber an diesem Tag erfahren möchten, wie Rittersleut’ im Mittelalter gelebt haben.

Und das kann man zurzeit am besten im Niederrheinischen Freilichtmuseum erleben. Eine Woche lang haben Mitglieder des Vereins Habitare 1288 ihre Zelte auf dem Gelände aufgeschlagen. Höhepunkt ist dann der Mittelaltermarkt am Wochenende (siehe Kasten).

In den Tagen davor bieten Vereinsmitglieder Schulklassen Führungen durch die Zeltstadt an. „Passt auf, dass ihr nicht auf euren Afterballen landet. Durch den vielen Regen ist es sehr matschig auf der Wiese“, warnt der Graf die Jungen und Mädchen. „Wer weiß, was Afterballen heißt?“, fragt er noch. „Arsch“, flüstert ein Junge die richtige Antwort.

Lauter geht es zu, als er sich erkundigt, was sie denn am Mittelalter interessiert. „Schwerter“, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. Doch bevor es zu den Waffen geht, zeigen die Spielleut’ Firlefanz, wie vor 700 Jahren Musik gemacht wurde. Kleine Gitarre, Laute, Trommeln, Glocken und Flöte gehören zur Ausstattung. Zusammen mit ihnen wird das Pippi- Langstrumpf-Erkennungslied gesungen und musiziert.

Geli von Firlefanz heißt im realen Leben Angelika Ludwig, ist evangelische Pfarrerin in Neuss. Der Große Firlefanz heißt Michael Brand und ist Krankenpfleger. Immer wieder schlüpfen beide in ihr Gewand aus Leinen oder Wolle, binden sich einen Gürtel aus Leder um. An ihm hängen unter anderem Geldbörse, Messer, Behältnis für ein Taschentuch bei den Damen und ein Ess-Spieß. „Gabeln waren wegen der zwei Zinken Teufelswerk“, erklärt Geli von Firlefanz.

Sie trägt eine Gugel über der Schulter. Das ist ein dickes Filztuch mit Kapuze. Im Gegensatz zum Großen Firlefanz, dessen Haupt ein bunter Hut schmückt. Um den Hals hängt eine kleine Glocke am Lederriemen. „Die trugen Kranke, Spielleute und Gaukler“, sagt Geli. Deren Knöchel auch ein Band mit Glöckchen schmückt. Beide Spielleute tragen Holzschuhe an den Füßen.

Inmitten der bunten Zelte kommt keinesfalls das Gefühl auf, im finsteren Mittelalter zu sein. Auch wenn die martialisch anmutende Schandmaske — ein Helm aus Eisenriemen, die zu einer Art Schweinenase vor dem Gesicht zusammenlaufen — wenig bequem aussieht. Doch die Schüler haben einen Riesenspaß, als der Graf ihrer Lehrerin Luci Kreuer die Maske überstülpt und fragt, wie viele Jahre sie diese denn aufbehalten soll. Da zeigten sich die Fünftklässler zunächst ungnädig und wollten ihre Klassenlehrerin eine Weile darin schmoren lassen, knickten dann aber doch recht schnell ein, und der Graf konnte Luci Kreuer wieder befreien. Zum Dank dafür versprach sie ihren Schülern Gummibärchen für den nächsten Tag.

Und dann standen endlich die Schwerter im Mittelpunkt. Am Lagerplatz von Wilhelm von Pipenpoy gibt es gleich mehrere unterschiedliche. Peter Sendko erläuterte die einzelnen Waffen und schilderte den Kindern den beschwerlichen Weg, ein Ritter zu werden: Mit sieben Jahren begann die Ausbildung zum Ritter. Doch zunächst musste man als Page sieben Jahre lang lernen, wie man sich bei Hofe benimmt. Dazu gehörte zu wissen, in welcher Reihenfolge Speisen aufgetragen wurden, wer zuerst zulangen durfte und welche Ränge es gab. Mit 14 Jahren wurde mit der Ausbildung an Waffen begonnen. Und erst mit 21 Jahren wurde der ehemalige Page zum Ritter geschlagen.

Heinrich Graf von Virneburg, Reiner Timmermanns im wirklichen Leben und Vorsitzender von Habitare 1288, erläutert, dass der Verein sich mit der Schlacht von Worringen am 5. Juni 1288 beschäftigt. Damals traten Herzog Johann I. von Brabant und Siegfried von Westerburg an der Fühlinger Heide bei Köln gegeneinander an. Dieser Erbfolgestreit war einer der letzten großen Ritterschlachten.

Die etwa 20 Teilnehmer am Mittelaltermarkt wollen kein Reiterturnier veranstalten und auch nicht die Schlacht darstellen. Sie zeigen, wie ein Ritterlager von Anhängern des Brabanter Herzogs ausgesehen haben könnte. Und zwar zu dem Zeitpunkt, als alle Verbündeten sich auf die Auseinandersetzung vorbereitet haben. Auch im Schwertkampf und Bogenschießen.

Im Bogenschießen konnten sich die Mädchen und Jungen aus dem 21. Jahrhundert ebenfalls üben und bei Erfolg verließen sie als Ritter oder Fräulein das Ritterlager im Niederrheinischen Freilichtmuseum.