Thema Flüchtlinge Udo Schiefner: „Ängste ansprechen und nicht den Rechten hinterherlaufen“
Ob im politischen Berlin oder im Heimatkreis: Das Thema „Flüchtlinge“ beherrscht den politischen Alltag der Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner (SPD) aus Kempen und Uwe Schummer (CDU) aus Neersen.
Kempen/Berlin. Udo Schiefner erhält regelmäßig Informationen und Berichte aus seinem WahlKreis Viersen in der Hauptstadt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete (seit 2013) will auch in Berlin wissen, wie es um die Stimmung an der Basis bestellt ist. „Es stimmt nicht, dass die Basis ignoriert wird. Ich nehme die Signale aus dem Kreis wahr.“ Die Guten wie die Beunruhigenden.
Überwältigt ist Schiefner vom ehrenamtlichen Engagement vieler Menschen, „denen man gar nicht genug danken kann.“ Aber er entnimmt vielen Mails von Bürgern auch Unsicherheit und Ängste. „Bei den Zahlen, die wir zurzeit erleben. . . Das ist für die Menschen etwas Neues und Ungewohntes.“ Vor allem die Generation der Menschen von Mitte 20 bis Mitte 50 formuliere Sorgen. „Ich erlebe sie in Gesprächen als sehr offen für das Flüchtlingsthema, aber sie fragen auch: „Wie sollen wir das schaffen? Wie sollen wir das gewuppt bekommen?“
Berlin sei daher gut beraten, sagt Schiefner, die erarbeiteten Konzepte zügig umzusetzen — nach der nun erfolgten Abstimmung über das Asylrecht im Bundestag am Donnerstag und am Freitag im Bundesrat.
„Die Politik muss klare Regeln setzen, den Kommunen und den vielen Ehrenamtlern helfen.“ Damit meint er etwa die Begleitung durch Behörden, den Einsatz hauptamtlicher Sozialarbeiter, die Stärkung von Netzwerken. „Die Ehrenamtler darf man nicht sich selbst überlassen.“ Außerdem, sagt der Sozialdemokrat, „brauchen die Kommunen die nötige Finanzausstattung“.
Schiefner sagt auch, dass man Flüchtlingen klar machen müsse, dass sie sich nicht ausschließlich auf Artikel 16a des Grundgesetztes („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) berufen dürfen, sondern auch die anderen im Grundgesetz verbrieften Grundsätze der Gesellschaft, wie Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau etc. respektieren müssten. „In einigen wenigen Fällen ist es in Asylunterkünften passiert, dass Männer von Frauen kein Essen annehmen.“ So etwas akzeptiert er nicht.
Im Gespräch mit Bürgern begegnen Schiefner allerdings auch immer wieder Parolen, „die jeder Grundlage entbehren. Etwa die Behauptung, dass Asylbewerber mehr Geld bekommen als Hartz IV-Empfänger. Das ist absoluter Blödsinn“, sagt er. Er habe aber die Erfahrung gemacht, dass man mit einem sachlichen Austausch „80 bis 90 Prozent der Leute“ erreiche. Schiefner: „Es gibt aber immer auch noch welche, die so verblendet sind, dass man sie nicht erreicht.“
In diesen Zeiten sei er als Politiker gefragt. Er müsse viel Überzeugungsarbeit leisten. „Es kommen auch böse Briefe, in denen mir im Zusammenhang mit dem Thema Asyl vorgeworfen wird, ich sei kein Volksvertreter, sondern ein Volksverräter.“ Schiefner ist strikt dagegen, das Asylrecht grundsätzlich zu ändern. Er ist fest davon überzeugt, „das wir es schaffen, aber unter bestimmten Bedingungen: Dass Verfahren beschleunigt werden und ganz schnell eine europäische Lösung erzielt wird“.
Er hebt das Engagement von Deutschland, Schweden und Österreich hervor. Und spricht auf Nachfrage davon, dass er von den osteuropäischen Ländern enttäuscht sei. „Auch unsere niederländischen Nachbarn nehmen wenige Flüchtlinge auf.“ Die USA sollten sich seiner Meinung nach mehr einbringen. Die Türkei müsse unterstützt werden. Einen entscheidenden Ansatz sieht er darin, die Lebensbedingungen der Menschen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern.
Mit Blick auch auf den Kreis Viersen warnt Schiefner: „Wenn die Politik es jetzt nicht schafft, klare Maßstäbe zu setzen und die Situation in den Griff zu bekommen, dann wird diese Bürgerbewegung, die Willkommenshilfe und das Ehrenamt, wegbröckeln. Dann kippt die Stimmung.“
Wer Ängste habe, solle mit demokratischen Kräften darüber reden und nicht den Rechten hinterherlaufen. „Ich glaube nicht, dass Menschen über Tausende von Kilometern aus ihrer Heimat flüchten, um hier 140 Euro Taschengeld im Monat zu bekommen.“