Kempen Viel Zustimmung zur Prüf-Pflicht
Das Thema Autofahren im Alter bewegt die Kempener. Zahlreiche Leser kamen gestern mit einer festen Meinung zum Buttermarkt.
Kempen. Eine Tauglichkeitsprüfung für Autofahrer ab 75 Jahren? „Ich finde das richtig. Ich bin dafür“, sagt Ute Greven-Hein, 52, aus St. Hubert. Sie selbst fahre viel und beobachte häufig, wie unsicher viele ältere Autofahrer unterwegs seien. „Sie haben nicht mehr die Umsicht.“ Ihr sei aufgefallen, dass an vielen Unfällen ältere Menschen beteiligt seien.
„Eine Tauglichkeitsprüfung? Schwer in Ordnung“, sagt eine 72-jährige Kempenerin. Sie meidet aus Unsicherheit und fehlender Routine Autobahnen und fremde Strecken. Viele Autofahrer überschätzten sich. Aber ein Alter für Prüfungen festlegen, überlegt sie: „Eine Grenze muss es ja geben. 70 fände ich okay. Es sind ja nicht alle so vernünftig, sich richtig einzuschätzen.“
Auch Burkhard Tussing gehört zu den Befürwortern der Prüfungspflicht. „Ich denke, ab einem Alter von 75 oder 80 Jahren sollte man das ruhig machen“, sagt der Kempener. Bei einer möglichen 75er-Regel wäre er selbst auch ein Prüfungskandidat und hätte damit keine Probleme. „Ich nutze allerdings überwiegend das Fahrrad“, so Tussing. 7000 Kilometer im Jahr fahre er per Rad. Mit dem Auto komme er nur auf 2000.
Manfred Enger ist 83 Jahre alt und fährt jedes Jahr noch rund 20 000 Kilometer mit seinem Auto. „Falls die neue Analyse mit 70 Prozent Unfällen bei Älteren stimmt, bin ich ganz stark für eine gesetzliche Regelung.“ Im vorigen Jahr hat Enger, der seit 65 Jahren seinen Führerschein hat, die vom ADAC empfohlene Ein-Stunden-Fahrt mit einem Fahrlehrer gemacht — „nicht in Kempen, sondern in Krefeld, mit 30er-Zone, Autobahn, mit rückwärts einparken und stark abbremsen. Keine Beanstandungen!“ Der Fahrlehrer sei zufrieden gewesen. Enger: „Freiwilligkeit bringt nichts. Die Altersgrenze ab 75 Jahre ist okay.“
Ein 87-Jähriger kommt am WZ-Stand vorbei, hält kurz an und sagt einen Satz zum Thema: „Jeder sollte das freiwillig machen.“
Anneliese Braun aus Kempen, 79 Jahre alt, ist auf ihr Auto angewiesen. Sie hat ihren Führerschein seit 1963. „Ich bin seit einigen Jahren alleinstehend. Für mich ist das Fahren lebensnotwendig. Und ich bin auch noch gut in Schuss.“ Davon, ältere Verkehrsteilnehmer auf die Schulbank zu setzen, hält sie wenig. „Aber ich wäre dafür, dass regelmäßig Seh-, Hör- und Reaktionstest gemacht werden.“
Olaf Kopitza aus Kempen kann der Pflichtprüfung für Senioren etwas abgewinnen: „Ich halte das für sinnvoll.“ Außerdem müsse es dann auch eine Pflicht werden. „Ich glaube nicht, dass man da mit Freiwilligkeit weiter kommt.“ Das habe er selbst im Familienkreis erlebt.
„Dann bin ich in zwei Jahren auch dabei“, sagt Werner Beckers mit Blick auf die von den Versicherern vorgeschlagene Prüfungsgrenze von 75 Jahren. Der Kempener hätte aber nach eigenen Angaben keine Probleme, sich so einer Prüfung zu stellen. Beckers stellt auch die Kostenfrage: „Wenn man zum Beispiel regelmäßig jedes Jahr zu dieser Prüfung muss, wer soll das denn bezahlen?“
Horst Kamper kam mit dem Rad aus dem Hagelkreuz-Viertel in die Altstadt. Der 80-Jährige befürwortet die Prüfungspflicht — allerdings für alle Autofahrer. „Ich finde, dass jeder Führerscheinbesitzer sich alle fünf Jahre prüfen lassen sollte“, so Kamper. Denn ihm falle auf, dass sich vor allem jüngere Autofahrer nicht an die Verkehrsregeln halten. „Das sehe ich bei uns in der 30er-Zone. Da wird häufig mit 50 km/h gerast.“ Im Alter könnte man aus Sicht von Kamper die Abstände zwischen den Prüfungen verkürzen: Ab 75 müsste man dann alle zwei oder drei Jahre zur Prüfung.“
Wolfgang Folz aus Tönisvorst hat der WZ-Redaktion seine Meinung geschrieben: „Ein von Vertretern einiger Seniorengruppen häufig verwendeter Begriff in dieser Debatte ist die „Diskriminierung“ von Senioren. Leider wird dieser Begriff viel zu häufig inflationär verwendet und verkennt die Realität, dass Senioren ebenso wie Verkehrsanfänger eine Risikogruppe darstellen. Seit jeher wird die zweite Risikogruppe, die der Fahranfänger, durch sehr kostspielige Tarifklassen belastet. Hier spricht keiner von Diskriminierung, weil diese Tarifpolitik nachvollziehbar erscheint, auch wenn hierdurch vielen jungen, noch in Ausbildung befindlichen Frauen und Männern die Möglichkeit genommen wird, überhaupt erst Fahrpraxis zu sammeln. In einer ähnlich gestalteten Tarifpolitik könnte aber auch die Lösung für die Risikogruppe der Senioren liegen. „Freiwilligkeit“ lässt sich wie so häufig über Kosten steuern. So könnten trotz unfallfreier Jahre die Tarife zur Kfz-Versicherung ab einem gewissen Alter (75 nach Vorschlag der Versicherungsbranche) wieder deutlich angehoben werden, es sei denn, man weist nach einem „freiwilligen“ Fahrtauglichkeitstest, der etwa das Sehvermögen und die Reaktionsfähigkeit umfassen könnte, nach, dass kein erhöhtes Risiko besteht. Wer sich diesen „freiwilligen“ Tests aus welchen Gründen auch immer oder eben aus einer bewussten Selbsteinschätzung heraus nicht unterziehen möchte, der muss dann eben als ein zu einer Risikogruppe gehörender Verkehrsteilnehmer mehr zahlen, genauso wie die Fahranfänger, die im Übrigen ja noch nicht mal diese Wahlfreiheit haben.“