Vom Reiz der Lindenallee
Der pensionierte Lehrer Alfred Knorr hat die Historie der Grasheider Straße niedergeschrieben.
Mülhausen. Für Alfred Knorr ist es keine gewöhnliche Straße. Nicht nur die alten Linden machen sie für ihn besonders. Auch die Geschichten, die sich am Straßenrand und hinter den Mauern der alten Gehöfte verbergen, haben den pensionierten Lehrer gepackt.
Vier Monate hat er in Archiven recherchiert und mit alteingesessenen Bewohnern entlang der Grasheider Straße gesprochen. „Die alten Leute waren stolz darauf, dass über ihre engste Heimat auch etwas aufgeschrieben wird“, sagt Knorr. Mit seinen Forschungsergebnissen will er die Geschichte der Allee und ihrer Anwohner bewahren. Die gleiche Idee hatte vor ihm schon einmal ein Bewohner der Niers-Gemeinde — Lehrer Kogelboom. Er veröffentlichte 1908 „Die Geschichte des Alten Amtes Oedt bis 1815“.
Damit die niedergeschriebene Vergangenheit nicht im vergangenen Jahrhundert endet, macht der gebürtige Essener, der seit 25 Jahren an der Lindenallee lebt, weiter. „Offenbar ist das eine typische Beschäftigung für Lehrer im Ruhestand“, sagt er.
Eine persönliche Überraschung erlebt er gleich zu Beginn seiner Heimat-Forschung: „Ich wusste nicht, dass wir hier im Rhein leben.“ Hinweis dafür ist eine sogenannte Donk, eine sandige Erhebung, auf der die Straße gebaut wurde. Vermutlich, das ergeben die Recherchen Knorrs, hat sich die Donk aus einer Sandbank des Altrheins gebildet, der während der vergangenen Eiszeit durch Mülhausen floss. Anwohner der Grasheider Straße finden Beweise dafür regelmäßig bei ihrer Gartenarbeit. „Wenn man 40 bis 50 Zentimeter tief gräbt, stößt man hier schon auf Sand“, sagt der Hobby-Historiker.
Spannend machen den sechsseitigen Essay, der in „Dat Üdsche Heimatblättsche“ erschienen ist, aber vor allem die Geschichten und Anekdoten vom Leben entlang der Allee, das sich auf den 13 anliegenden Höfen abgespielt hat: Etwa auf dem Rittergut Aldenhoven oder Haus Altenhoff, von dem heute nur noch eine Ruine übrig ist. 1931 brannte das Gut am Niederfeld 16 ab.
Eine Episode aus dem Jahr 1725, die mit der Inhaftierung einer ganzen Familie in der Kempener Burg endet, gibt Knorr wieder. „Diese Geschichte musste ich unbedingt reinbringen“, sagt er.
Aus finanziellen Gründen mussten die Eigentümer ihr Gut verkaufen. Allerdings wollte das Ehepaar mit ihren sechs Kindern dem neuen Besitzer keinen Platz machen und verschanzte sich kurzerhand in dem Haus. Zwei Tage hielten sie durch.
Dann gaben sie den 600 Schützen, wie es in Erzählungen heißt, aus Oedt und Kempen nach. Doch auch ein Unschuldiger soll in den Burgkerker geworfen worden sein: Es traf einen Tagelöhner aus Grefrath, der in den Tumult geraten war, als er seinen ausstehenden Lohn abholen wollte. Wie das Schicksal des Tagelöhners endete, ist nicht überliefert.
Doch es soll nicht die letzte Episode aus der Mülhausener Vergangenheit bleiben, die niedergeschrieben wird. Knorr hat sich inzwischen eine weitere Aufgabe gesucht. „Vielleicht bin ich bis zum Ende des Jahres fertig“, sagt er. Dann sollen die Bewohner der Niers-Gemeinde mehr über die Landwehren in der Grasheide erfahren.
“ Weitere Informationen bei Alfred Knorr, Tel. 02158/8398.