Hilfe bei Kälte in Kempen Wärmestube ist für Obdachlose offen

Kempen · Die aktuellen Minusgrade können für wohnungslose Menschen lebensgefährlich sein. In Kempen gibt es für sie einige Hilfsangebote. Was Passanten tun können, die einen obdachlosen Menschen in der Kälte sehen und helfen wollen.

Bei den aktuell niedrigen Temperaturen schweben obdachlose Menschen in Lebensgefahr.

Foto: dpa/Paul Zinken

Passanten fanden am 12. Februar 2021 in den Nachmittagsstunden einen offensichtlich erfrorenen Mann in einem Gebüsch am Hessenring in Kempen. Es handelte sich um einen 47-Jährigen ohne festen Wohnsitz, wie die Polizei später mitteilte. Ein tragisches und schockierendes Geschehen, das jedoch bei den aktuell niedrigen Temperaturen erneut drohen könnte: Denn obdachlose Menschen schweben bei Minusgraden potenziell in Lebensgefahr.

Dabei ist eine solche Katastrophe vermeidbar. In Kempen stehen diverse Hilfsangebote für Menschen ohne Wohnung zur Verfügung. Die Wohnungslosenhilfe des SKM Viersen verweist in diesen Tagen ausdrücklich auf ihre Beratungsstelle in Kempen, die im Sommer von der Kirchstraße zur Von-Loe-Straße umgezogen ist. Sabine Gast ist Sozialpädagogin und leitet den Fachbereich Wohnungslosenhilfe des SKM im Kreis Viersen. Sie rät dazu, die Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum zu schärfen. „Man sieht es den Menschen nicht immer an, ob sie obdachlos sind“, sagt sie. Ein Hinweis kann es sein, wenn sich eine Person immer wieder und für längere Zeit an einem Ort, etwa auf einer Bank, aufhält. Und einen Rucksack oder Schlafsack bei sich hat. Im Zweifel rät sie Passanten dazu, diese Menschen anzusprechen, auch wenn dies vielleicht Überwindung koste. Man könne die Menschen dann an die Beratungsstelle des SKM oder an die städtische Notschlafstelle an der Kleinbahnstraße verweisen, so ihr Tipp.

In Kempen steht obdachlosen Menschen die Notschlafstelle, die auch Wärmestube genannt wird, an der Kleinbahnstraße zur Verfügung. 24 Stunden am Tag geöffnet, bietet sie sowohl tagsüber als auch während der Nacht Menschen, die auf der Straße leben, Unterkunft. Dort finden Männer und Frauen nicht nur einen Platz zum Schlafen, sondern sie haben auch die Möglichkeit, ihre Wäsche zu waschen. Es gibt einen Gemeinschaftsraum mit Bücherregal und Fernsehgerät. Die Besucher können eine Sozialberatung in Anspruch nehmen oder einen Arzt kontaktieren. Als Ansprechpartner vor Ort fungiert ein städtischer Mitarbeiter, der auch ein Stück weit Sozialarbeit leistet. Wer die Wärmestube nutzen möchte, muss sich vorher beim städtischen Ordnungsamt melden, wo die Personalien des Betreffenden aufgenommen werden. In Notfällen wie einem unvorhersehbaren Kälteeinbruch am Abend entfällt dieses Prozedere. Dann bietet die Stadt sofortige unbürokratische Hilfe an. Falls dies jemand ausdrücklich verweigere, sei das grundsätzlich zu akzeptieren, denn: „Es gibt keine Zwangsmaßnahmen“, sagt die Fachfrau. „Dann muss man das akzeptieren.“ Unbedingt handeln sollte man aber dann, wenn eine Person vor allem in den Abendstunden offensichtlich alkoholisiert oder nicht mehr ansprechbar sei. „Dann sollte man die Polizei holen“, sagt sie mit Nachdruck. Damit sich so ein Unglück wie im Februar 2021 in Kempen nicht wiederholt.

Die Energiepreise bringen
immer mehr Menschen in Not

Die Fachberatung Wohnungslosenhilfe des SKM ist umfassend und versucht jenseits akuter Soforthilfe, das Leben von obdachlosen Menschen von Grund auf in den Blick zu nehmen. Gast kennt die Gründe, die Menschen in die Obdachlosigkeit führen. Das sind meist persönliche Schicksale wie der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Trennung oder Scheidung. Hinzu kommen vielfach chronische Erkrankungen, etwa Suchterkrankungen oder psychische Probleme. „Da kommt man in eine Spirale rein, aus der man schwerlich wieder rauskommt“, so ihre Erfahrung.

Die Zahl der Beratungen steigt seit Jahren. In diesem Jahr hat der SKM im Kreis Viersen bereits 454 Beratungen durchgeführt, rund 40 mehr als im Vorjahr. Laut Gast werden noch mehr hinzukommen. Sie beobachtet, wie die aktuell explodierenden Preise im Energie- und Nahrungsmittelbereich auch solche Menschen in finanzielle Nöte bringen, die bislang einigermaßen über die Runden kamen: „Viele sitzen jetzt schon in ihren kalten Wohnungen.“ Obdachlosigkeit hat viele Gesichter. Manche kommen noch eine Zeit lang bei Bekannten und Freunden unter. Andere richten sich auf Campingplätzen ein. Nur ein Teil lebt „auf Platte“, also gänzlich ohne ein Dach über dem Kopf.

Der SKM bietet denen, die unbedingt draußen bleiben wollen, winterfeste Schlafsäcke, Unterwäsche und Iso-Matten an. Die Beratungsstelle richtet Postadressen ein, damit wichtige amtliche Schreiben den Empfänger erreichen können. Sie hilft bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen oder bei der Geldverwaltung. Und unterstützt Menschen bei der Wohnungssuche – ein Unterfangen, das sehr schwierig geworden ist, so Gast: „Der Wohnungsmarkt im Kreis Viersen gibt nicht mehr viel her.“