Mit der Mode marschieren - die Schützenuniform der Zukunft
Die „Uniform der Zukunft“ haben Studentinnen der Hochschule Niederrhein kreiert: wasserabweisend, atmungsaktiv und figurbetont.
Niederrhein. Albert Kremer, 78 Jahre alt und seit 1950 Schütze aus Leidenschaft, darf eine gute Stunde lang als Model auftreten — umgeben von jungen Frauen, die ebenfalls neue Stoff-Kreationen präsentieren. Allerdings nicht auf den Laufstegen der Haute Couture-Hochburgen Paris, Mailand oder New York, sondern im Dicken Turm inmitten der Mönchengladbacher Altstadt. „Das ist eine Premiere — zum ersten Mal findet in diesem über 600 Jahre alten Gemäuer eine Modenschau statt“, verkündet Gladbachs Schützenchef Horst Thoren stolz.
Grund für diesen ungewöhnlichen Auftritt in der Schützen-Feste: Neun Studentinnen der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, sollten im Rahmen eines Projekts für das Wintersemester die „Uniform der Zukunft“ entwickeln, die „in Schnitt und Tragekomfort modernsten Ansprüchen genügt“. Die Ergebnisse stellte eine kleine Gruppe uniformierter Studentinnen und Brauchtumsfreunde am Mittwochabend der Öffentlichkeit vor.
Das Modell „Rheinischer Jäger“ für Schützenbrüder und -schwestern, die mit der Mode marschieren wollen, gibt es sowohl in einer eher klassischen als auch in einer betont modernen Linie. Damen können sogar zu einer kurzen Bolero-Jacke greifen, natürlich auch mit silberfarbenem Eichenlaub am Kragen und Knöpfen aus Horn. Den Schützen war es wichtig, dass solche traditionellen Elemente aufgegriffen werden und die Uniform weiterhin als solche zu erkennen ist. Da der Soft-Shell-Stoff aus der Schweiz, ansonsten für Freizeitkleidung genutzt, allerdings noch nicht in Jäger-Grün lieferbar war, mussten schwarze Musteruniformen geschneidert werden.
Aber warum überhaupt textile Neuerungen für Parade, Vogelschuss und Ball im Festzelt? Horst Thoren beschreibt die Ausgangslage so: „Unsere angestammten Schützenjacken sind nicht unbedingt bequem. Der dicke Stoff kratzt oft und lässt uns schwitzen.“ Hinzu komme, dass sich nicht nur Schützenschwestern über den mangelnden Chic beklagten. Die neuen Uniform, „bei den Damen figurbetont, bei den Herren am Bauch orientiert“, sei einfach angenehmer zu tragen.
Vor diesem Projekt hatten die Studentinnen so gut wie keinen Kontakt zum Schützenwesen. „Die Aufgabe wurde uns zugelost“, erzählt Lilia Arndt aus Mönchengladbach. Ihr erster Gedanke damals: „schwieriges Thema“. Sie und ihre Kommilitoninnen hätten gedacht, dass es beim Brauchtum „ein bisschen steifer und konservativer“ zugehe. „Aber die Schützen waren alle sehr locker. Wir waren sogar einmal bei einem ihrer Treffen dabei und haben Vorbefragungen durchgeführt.“ Ein Vertreter des Brauchtums kam später regelmäßig zur Anprobe für die neue Uniform. „Diese ist sehr leicht, wasserabweisend und atmungsaktiv — alles Eigenschaften, die ein Schütze braucht“, wirbt Lilia Arndt.
Doch auch wenn die „Uniform der Zukunft“ bald in größerer Stückzahl gefertigt werden sollte — ein Hersteller hat bereits Interesse angemeldet —, will Albert Kremer zum Fest weiterhin seinen gewohnten Gehrock überziehen. „Der ist aus reiner Wolle, bei dem bleibe ich.“