Sozialpolitik in Nettetal Ende eines letzten Willens
Nettetal · Die Stadt will den Bongartzhof im Sassenfeld 160 verkaufen. Seitdem er nicht mehr verpachtet ist, steht er weitgehend leer. In ihrem Testament untersagte Agnes Bongartz den Verkauf von Hof und Ländereien.
Mit Testament vom 1. Oktober 1896 hinterließ Maria Agnes Bongartz ihr gesamtes, von ihrem Bruder Johann Heinrich geerbtes Vermögen der damaligen Gemeinde Lobberich mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass das Vermögen zur Gründung eines Waisen- und Erziehungshauses für waise katholische Mädchen verwendet werden sollte. Das Waisen- und Erziehungshaus sollte unter der Wohnhausadresse der Familie Bongartz an der Hochstraße 29 errichtet werden.
In ihrem Testament hat sie aber auch verfügt, dass der Hof und die Ländereien im Sassenfeld niemalds veräußert werden dürften. Doch auf der einen Seite ließ sich der Hof aufgrund des Zustandes des Hauses und der Stallungen nicht mehr vermieten, und für die notwendige Sanierung reichen die Mittel der Stiftung nicht aus. In diesem Monat informiert nun die Stadtverwaltung über ein Interessenbekundungsverfahren zum Verkauf und zur Entwicklung des Bongartzhofes. Der Hof soll also verkauft werden.
Es handelt sich um eine etwa 4400 Quadratmeter große Teilfläche des Grundstücks mit dem Gebäude Sassenfeld 160. Die Stadt fordert Interessenten auf, ein schriftliches Sanierungs- und Nutzungskonzept für das Gebäude vorzulegen, das den Erhalt des Charakters des Urhofes gewährleistet. Das Haupthaus ist dabei zu erhalten. Angrenzende Weideflächen (circa zwei Hektar) sowie eine Obstwiese (circa 800 Quadratmeter) könnten langfristig gepachtet werden.
Dass der Hof verkauft werden soll, war Konsens zwischen Politik und Verwaltung - so der Lobbericher CDU-Politiker Harald Post. Mit Antonius Kiwall habe es vor Jahren ein gutes Konzept gegeben, das auch eine soziale Nutzung mit der Elterninitiative Kindertraum vorsah. Einer solchen Nutzung wäre der alte Stiftungsrat gerne gefolgt. Die Stadt habe lang verhandelt. Dann explodierten die Kosten und die Beteiligtem bekamen kalte Füße und stiegen wieder aus. Dann wollte der benachbarte Jäherhof, Catering und Ferienwohnungen, den Hof übernehmen. Das war noch zu Zeiten der technischen Beigeordneten Susanne Fritzsche, und die ist bereits 2019 nach Viersen gewechselt. Die CDU, so Post weiter, unterstütze den Verkauf. Dass es jetzt kommerziell ausgeschlachtet werden solle, bedauert er persönlich aber schon. Die Hofgebäude mit denkmalwürdigem Charakter sind nicht in die Denkmalliste eingetragen. Seitdem der Hof nicht mehr bewirtschaftet wird, „vergammeln“ die Gebäude. Besonders der vorletzte Winter habe zu Schäden geführt. Das Projekt dümpele seit langem vor sich hin,
Schon 1973 wurde die Stiftung in einen Eigenbetrieb der Stadt umgewandelt. Das Stiftungsziel zum Wohl der Kinder ist dagegen bis heute erfüllt geblieben. Aus dem Waisenhaus und späterem Säuglingsheim ist längst ein Kindergarten geworden. Zwar reichten die Erträge aus der Verpachtung der Ländereien schon längst nicht mehr aus, um den Kindergarten zu finanzieren. Der Betrieb der Kindertagesstätte war ein Dauerverlustbetrieb. Aus dem Städtischen Haushalt wurden erhebliche Zuschüsse an die Stiftung geleistet. Bereits 2019, noch zu Zeiten von Bürgermeister Christian Wagner (CDU), wurde das Stiftungsziel verändert: Zweck der Stiftung sollte ausschließlich das Wohl der noch nicht schulpflichtigen Kinder in Nettetal sein (nach Sozialgesetzbuch teil VIII). Bereits 2019 wurde mit diesem Beschluss auch der Auftrag an die Stadt verbunden, den Hof Sassenfeld 160 zu verkaufen. Die wesentlichen Inhalte eines Kaufvertrages sollten dann vom Verwaltungsrat der Stiftung und des Rates genehmigt werden. Jetzt also ein erneuter Versuch, einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit zu machen. Die Bongartzstiftung bleibt trotzdem präsent, etwa auch im Namen des Kindergartens. Nach der von-Bocholtz-Straße ist der Kindergarten heute an der Mühlenstraße 20 zu finden, Am 20. Mai 2025 kann der Kindergarten bereits sein 50-jähriges Bestehen begehen. Das alte Bongartz-Wohnhaus an der Hochstraße 29 ist dagegen seit dem Jahr 2000 an die Arbeiterwohlfahrt verpachtet. Sie unterhält dort eine Beratungsstelle und ein Sozialpsychiatrisches Zentrum.