Unternehmen in Nettetal Vom Bootsflüchtling zum Drucker - eine gelungene Integration
Nettetal · Deutschland braucht Fachkräfte. Das Kaldenkirchener Druckhaus SINC Novation bildet sie aus: So wurde aus einem Flüchtling aus Eritrea ein Medientechnologe Druck. Eine gelungene Integrationsgeschichte.
Heute ist er festangestellter Medientechnologe Druck. Jeden Werktag fährt er mit seinem eigenen Auto von der Wohnung in Viersen-Dülken nach Kaldenkirchen. An der Poststraße 10 ist das Firmengelände von SINC Novation, ein modernes Druckhaus, in dem von Papier bis Plastik alles gedruckt werden kann. Von den Kollegen im Team unterscheidet ihn nur die Tatsache, dass er 2016 aus Eritrea geflohen ist und als Bootsflüchtling nach Europa kam. Eritrea liegt zwischen Sudan und Äthiopien in Ostafrika am Roten Meer
Jetzt ist Filmon Gnedremesken ein Facharbeiter. Nach einem ersten Praktikum bei SINC Novation entschied er sich für eine Lehre zum Medientechnologen Druck, „Natürlich gab es Sorgen um die Verständigung und die schulischen Herausforderungen, doch wir waren fest entschlossen, ihn zu unterstützen“, sagt heute sein Chef, Geschäftsführer Jakob Stiels. Heute ist er stolz darauf, dass Filmon alle Prüfungen bestanden hat. „Er ist ein hervorragender Drucker geworden, vollständig ins Team integriert und mit viel Freude bei der Arbeit“, so Stiels.
Doch diese wunderbar gelungene Integration ist nicht vom Himmel gefallen. Zum Einen hat Filmon viel Fleiß und Disziplin mitgebracht. Er beherrscht die deutsche Sprache gut. Aber auch auf der Unternehmensseite kamen die entscheidenden Faktoren hinzu: Wenn man Stiels fragt, wie die Integration gelang, nennt er als erstes intensive Sprachunterstützung. Ohne Wenn und Aber wurde er sofort ins Team eingebunden, inklusive aller Teamevents. Ein engagierter Mitarbeiter, übrigens türkischer Abstammung, gab Filmon drei Jahre lang Nachhilfe, sogar über seine Anstellung im Betrieb hinaus. Auch die externe Ausbildungsleiterin Beate Plenge tat alles, damit das Projekt gelingt. Das ganze Team glaubte fest an Filmon und war überzeugt, dass sich der Einsatz aller lohne.
Wie Stiels auf Filmon kam, ist eine noch längere Geschichte. Vor etwa vier Jahren lag Jakob Stiels auf der Intensivstation des Krankenhauses in Lobberich. betreut wurde er dort von Amine, einem Intensivpfleger aus Eritrea. Ursprünglich war Amine in Eritrea als Hebamme tätig. In Eritrea sind ausschließlich Männer in diesem Beruf tätig.
Aufgrund politischer Gründe musste er fliehen und fand in Deutschland eine neue Aufgabe. Stiels war auf jeden Fall von seiner Empathie und fachlicher Kompetenz schwer beeindruckt. Ihn fragte der Firmenchef, ob er Verwandte oder Freunde habe, die eine Lehrstelle suchten.
Denn in Deutschland fehlen Fachkräfte. Auch bei SINC Novation fehlen weitere Fachkräfte. Also muss man sie selber ausbilden. So entstand der Kontakt zu Filmon, der ebenfalls in Eritrea eine Hebammen-Ausbildung begonnen und abgebrochen hatte.
Filmon ist als Bootsflüchtling illegal nach Europa gekommen. Ein Onkel bezahlte 2200 Dollar dafür. Über Frankreich und Belgien kam er nach Deutschland, Über Deutschland wusste er früher kaum etwas. Mit einem Aufenthaltstitel lebt er nun mehr als fünf Jahre in Deutschland. Zuerst hat er in Duisburg gewohnt und kam am Anfang seiner Lehre jeden Tag nach Kaldenkirchen — bis ihm die Kollegen halfen, eine Wohnung in Dülken zu finden.
Im Asylverfahren sollte er sich verschiedene Papiere in der Botschaft besorgen. Das sei nicht möglich gewesen. Denn dort, so erzählt Filmon, werde man gezwungen, kritische Äußerungen über Eritrea zu widerrufen und zwei Prozent seines Verdienstes an den Staat abzuführen. Die deutsche Sprache zu lernen, sei schwer gewesen. Während in Eritrea die Familie das Wichtigste ist, lebten die Deutschen viel mehr jeder für sich, meint Gnedremesken.
Stolz trägt er das Firmen-T-Shirt. Die Kunden des Medienhauses sind große Handelskonzerne wie Amazon oder Media Markt. Für sie werden Plastikkarten als Geschenkgutscheine bedruckt, oder Geschenkverpackungen wie Adventskalender. Auch die Patientenkarte der Barmer oder ein Teil des Deutschlandtickets wurden in Kaldenkirchen bedruckt. Filmon hat also einen sicheren Job. Er will bleiben. Dazu hat er jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.