So wählen die Menschen im Kreis Viersen

Insgesamt 228 000 Frauen und Männer können bei der Wahl am 24. September ihre Stimme abgeben.

Kreis Viersen. Insgesamt 228 000 Frauen und Männer können bei der Wahl am 24. September ihre Stimme abgeben. Einmal nur, ein einziges Mal in den vergangenen 20 Jahren musste der CDU-Direktkandidat im Kreis Viersen ein bisschen zittern. Es war 1998. Kanzlerdämmerung. Die Mehrheit in Deutschland war Kohl-müde. Und der SPD-Bundestagsabgeordnete Walter Schöler aus Tönisvorst kam dem CDU-Direktkandidaten Julius Louven aus Kempen ziemlich nahe. Am Ende erhielt Schöler 44,4 Prozent der Stimmen — und mit 44,6 Prozent war Louven der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Schöler zog über die Liste in den Bundestag ein. Auch in der vergangenen Legislaturperiode waren die knapp 300 000 Einwohner des Kreises Viersen gleich durch zwei Bundestagsabgeordnete in Berlin vertreten: Uwe Schummer (CDU) aus Willich wurde mit 53 Prozent der Erststimmen direkt gewählt, Udo Schiefner (SPD) aus Kempen zog über die Liste ein. Es deutet einiges darauf hin, dass sich das bei der Bundestagswahl am 24. September ändern dürfte. In diesem Jahr könnten gleich drei Politiker aus dem Kreis Viersen Mitglied des Bundestages werden.

Uwe Schummer tritt erneut zur Wahl an, zum vierten Mal bereits. Auch Udo Schiefner ist für die SPD Direktkandidat. Und mit Listenplatz 11 ist er gut abgesichert. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, dürften beide auch dem nächsten Bundestag angehören. Es kandidiert aber auch Kay Gottschalk, Hamburger mit Zweitwohnsitz in Nettetal. Der AfD-Politiker steht auf der NRW-Landesliste der Partei auf Platz vier. Kommt die AfD bei der Wahl über die Fünf-Prozent-Hürde, ist auch Gottschalk Bundestagsabgeordneter. Für die FDP tritt Andreas Bist aus Brüggen als Direktkandidat an. Für die Grünen kandidiert Jürgen Heinen aus Schwalmtal und für Die Linke Christoph Saßen aus Viersen.

Wie ticken die Menschen im ländlich geprägten Kreis Viersen, in dem mehr als doppelt so viele Menschen in der Landwirtschaft arbeiten als im Bundesdurchschnitt? Sie haben mehr Geld zur Verfügung als der Durchschnittsdeutsche (Differenz: 870 Euro pro Jahr) und leiden stärker als der Rest der Republik unter dem demografischen Wandel. In Deutschland kommen auf 1000 Einwohner 9,0 Geburten, im Kreis Viersen sind es lediglich 7,3. Der Anteil der unter Sechsjährigen liegt in Deutschland bei 5,3 Prozent, im Kreis Viersen bei 4,8 Prozent. Und die Über-65-Jährigen machen im Kreis Viersen 21,3 Prozent der Einwohner aus, in ganz Deutschland liegt der Anteil bei 21,1 Prozent.

Das Wohnen im ländlichen Kreis Viersen ist zwar preiswerter als in den Städten, dennoch wird es in den kommenden Jahren an bezahlbarem Wohnraum fehlen. Nach einer Studie der NRW-Bank fehlen 2000 Wohnungen pro Jahr — nahezu ausschließlich im Segment für Alleinstehende und zwei Personen. Nirgendwo in NRW wird die Zahl der Alleinlebenden in den kommenden Jahren stärker steigen als im Kreis Viersen.

Attraktiv ist der ländliche Raum zum Wohnen auch nur, wenn die Großstädte gut zu erreichen sind. Zwar sind die Menschen im Kreis Viersen deutlich besser motorisiert als der Rest der Republik — 61 Prozent der Einwohner haben ein Auto, in Deutschland liegt die Quote bei 54 Prozent — aber trotzdem vertrödelt die überdurchschnittlich hohe Zahl der Pendler Lebenszeit auf den Autobahnen A 52, A 44 und A 61. Wie kommt der Ausbau voran? Was ist mit dem zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Dülken—Kaldenkirchen? Und auch die Pkw-Maut bewegt viele Menschen im Grenzland. Vielleicht aber sind die entscheidenderen Strecken der Zukunft die Datenautobahnen: Beim Breitbandausbau hinkt der Kreis Viersen den großen Städten nach wie vor hinterher. Wie stehen die Kandidaten dazu?

Bei den Vorbereitungen zur Bundestagswahl hat es im Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) eine Panne gegeben. In der Gemeinde Brüggen sind 2066 Wahlbenachrichtigungen doppelt ausgeliefert worden — damit bekam mehr als jeder sechste Wahlberechtigte in der Burggemeinde die Wahlunterlagen in zweifacher Ausfertigung zugestellt. Grund für die Panne ist ein technischer und menschlicher Fehler beim KRZN in Kamp-Lintfort. Das teilte das Rechenzentrum mit. Es war in einer von drei Druckeranlagen zu einem größeren technischen Problem gekommen. Ein Mitarbeiter des Druckerherstellers musste die Anlage reparieren. Beim sogenannten Wiederaufsetzen kam es durch einen menschlichen Fehler zu dieser Panne.

Nach dem jetzigen Stand sind beim Druck der knapp 1,2 Millionen Wahlbenachrichtigungen im Gebiet des KRZN keine weiteren Probleme bekannt geworden. Das Rechenzentrum habe Maßnahmen ergriffen. Die Kosten für das Porto, das durch die doppelte Versendung der Wahlbenachrichtigungen entstanden ist, würden der Gemeinde Brüggen nicht berechnet, so ein Sprecher des KRZN.

Auf den eigentlichen Wahlvorgang hat das Versenden der doppelten Benachrichtigungen keinen Einfluss. Im Wahlverfahren ist sichergestellt, dass jeder Wahlberechtigte auch nur einmal wählen kann. Auch ohne Benachrichtigung kann man seine Stimme abgeben. Dazu reicht die Vorlage des Personalausweises im jeweiligen Wahllokal.