Parteiloser Kandidat mit Unterstützung der Grünen Standesbeamter will Bürgermeister werden
<irglyphscale style="font-stretch 99625%;">Tönisvorst</irglyphscale> · Kevin Schagen traut in der Apfelstadt bislang Paare, beurkundet Geburten und Sterbefälle. In der Verwaltung kennt er sich aus. Nun peilt er mit nur 32 Jahren den Chefposten im Rathaus an – als parteiloser Kandidat.
Auf die übliche Kurzschulung für neue Stadtoberhäupter, um neben ihrem Tagesgeschäft traditionell auch Eheschließungen durchführen zu können, könnte in Tönisvorst nach der Kommunalwahl am 14. September verzichtet werden. Zumindest bringt sich ein weiterer Kandidat für das Bürgermeisteramt ins Rennen, der für Trauungen bereits alle Voraussetzungen erfüllt: Kevin Schagen ist in der Apfelstadt seit 2016 Standesbeamter. Nun peilt der 32-Jährige den Bürgermeisterposten an und rechnet sich für die Wahl gute Chancen aus.
Bislang hat Schagen aus seiner Kandidatur ein Geheimnis gemacht. Als „buergermeisterkandidattoevo“ ist er seit Dezember bei Instagram aktiv, seinen Namen behielt er allerdings für sich, und auch sein Gesicht zeigte er nicht. Am Donnerstag dann präsentierte er sich der Öffentlichkeit als unabhängiger Bürgermeisterkandidat für seine Heimatstadt. Unterstützt wird er von den Grünen, was auch der Grund für die Geheimniskrämerei gewesen sei, erläutert der 32-Jährige: „Es mussten Gespräche geführt werden.“
Schagen ist in Tönisvorst geboren und aufgewachsen. Sein Abitur machte er am Michael-Ende-Gymnasium, wo er ein freiwilliges soziales Jahr absolvierte, bevor er bei der Stadt eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten begann. Der letzte Abschnitt führte ihn in den Bereich Standesamt/Bürgerservice, und als seine Vorgängerin in den Ruhestand ging, wurde er zum Standesbeamten ernannt.
Dabei ist es nicht geblieben. Als Stipendiat des Bundesbildungsministeriums absolvierte er eine Fortbildung zum Verwaltungsfachwirt, seit 2020 ist Schagen zudem Sachbearbeiter im Bereich „Organisation“ bei der Stadtverwaltung. „Ich begleite städtische Projekte wie das Rollout der Homepage aus organisatorischer Sicht“, erläutert er. Schagen ist dazu stellvertretender Leiter der Koordinierungsgruppe SAE (Stab für außergewöhnliche Ereignisse) sowie Ausbildungsbeauftragter bei der Stadt Tönisvorst. Nebenamtlich doziert er am Studieninstitut Niederrhein im Verwaltungsmanagement.
Die Arbeit in einer kleineren Kommune macht ihm Spaß
Was begeistert ihn an der Verwaltung? „Der bunte Mix“, sagt Schagen. Sein „absoluter Lieblingsbereich“ bleibe das Standesamt, ihm gefalle die Nähe zu den Menschen. „Es macht sehr viel Spaß, in einer kleineren Kommune zu arbeiten.“ Rund 200 Ehen werden jährlich in Tönisvorst geschlossen. In seiner Freizeit engagiert sich Schagen seit 2010 in der evangelischen Kirchgemeinde St. Tönis. 2021 wurde er Mitglied im Presbyterium, seit dem vergangenen Jahr ist er Personalkirchmeister. Zudem ist Schagen Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins „Tönisvorst ist bunt“.
Als Bürgermeister möchte Schagen Geschwindigkeit in viele Bereiche bringen. „Der digitale Rechnungsworkflow muss kommen“, nennt er als Beispiel für Bürokratieabbau. Zudem möchte er die Kommunikation zwischen Politik und Verwaltung verbessern, politische Beschlüsse so in die Verwaltung transportieren, dass sie schnell umgesetzt werden können, und den Bürgerservice umzustrukturieren. „Es gibt in meinen Augen eine einfache Lösung dafür, die ich in der Zukunft noch erörtern will“, kündigt er an.
Das Schlüsselelement für ihn aber sei: „Tönisvorst muss ein attraktiver Arbeitgeber werden. So ist es aktuell nicht, das ist kein Geheimnis.“ Marode Gebäude, fehlendes Miteinander – „im öffentlichen Dienst können Sie nicht mit Geld punkten, sondern mit Attraktivität. Das muss sich in Tönisvorst dringend ändern, und dadurch wird sich vieles andere auch lösen“, ist Schagen sicher.
Die Grünen schätzen die ruhige, sachliche Art des 32-Jährigen, sagt Vorstandssprecherin Britta Rohr: „Uns überzeugt seine Herangehensweise. Er bringt die notwendige Sachlichkeit mit, verzichtet auf große Wahlversprechen und kann dank seiner Verwaltungserfahrung einschätzen, was realistisch ist.“ Das sei gerade in Anbetracht der schwierigen Haushaltslage wichtig. Der Vorstand empfiehlt Schagen seinen Mitgliedern als Kandidat, die entscheiden bei ihrer Versammlung im März. Dabei bräuchte Schagen den Rückhalt der Grünen nicht zwingend: Notwendig für eine Bürgermeisterkandidatur ist eine Unterstützungsliste mit mindestens 190 Unterschriften; Schagen hat nach eigenen Angaben mehr als 200.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass ich in die Stichwahl komme. Platz 2 ist realistisch“, sagt der 32-Jährige. Sollte er sein Ziel erreichen, würde er Tönisvorsts jüngster Bürgermeister.