Ausbildung im Kreis Viersen Zahl der Lehrstellen sinkt
Kreis Viersen. · Die Corona-Azubis starten durch. Allerdings ist es ein verhaltener Start. Denn die Zahl der Lehrstellen ist im Kreis Viersen um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Warum auch manche Firmen zurückhaltend sind.
Im Kreis Viersen sind für das am 1. August beginnende Ausbildungsjahr 1510 Lehrstellen bei der Arbeitsagentur in Krefeld gemeldet worden: fast neun Prozent weniger als im Vorjahr. „Die Corona-Pandemie setzt den Ausbildungsmarkt im Kreis Viersen unter Druck“, so Michael Becker, Sprecher der Arbeitsagentur Krefeld. Nicht nur die Unternehmen seien spürbar zurückhaltend mit ihrem Angebot an Ausbildungsplätzen; auch viele Jugendliche zögerten, eine Berufsausbildung zu beginnen.
Laut Becker seien weniger Arbeit, Einbrüche bei den Aufträgen, ein höherer Kostendruck und Kurzarbeit einige der Gründe für die Zurückhaltung der Firmen. Auch Branchen, in denen Betriebe schließen mussten, wie im Tourismus, Handel oder in der Gastronomie, seien zurückhaltender bei der Ausbildung.
Doch es gibt Beispiele für Mut in der Krise. Wie etwa die Niederkrüchtener Firma Merklang. Seit 2013 führen sie Hanno Labonde und Andreas Caputa mit 30 Mitarbeitern, 15 davon sind fest angestellt: Die Firma sorgt für Personal bei Veranstaltungen, etwa bei Konzerten von Revolverheld oder Max Giesinger, bei Festivals, Messen oder Fimen-Events. „Unsere Einnahmen sind wegen Corona um 80 Prozent zurückgegangen“, sagt Labonde (34). Man übernehme nun auch Wartungs- und Installationsaufträge.
Dennoch haben sich Labonde und Caputa entschlossen, den ersten Jugendlichen als Fachkraft für Veranstaltungstechnik auszubilden. „Wir haben jemanden gesucht, der in unser Team passt“, sagt Labonde. Für ihn und seinen Geschäftspartner sei die Persönlichkeit wichtiger als nur die Schulnoten. Gefunden haben sie ihn in Danny Gonzales (18). Der Brüggener, der die Europaschule in Schwalmtal besuchte, ist bei Hochzeiten unterwegs. Genauso haben Labonde und Caputa selbst angefangen. Gonzales hat nach einem Ausbilder gesucht und war nach einem Praktikum „begeistert“. Jetzt freut er sich auf den Beginn seiner Lehre.
Bewerberzahl um fast 20 Prozent im Vergleich zu 2019 gesunken
Auch bei der Firma Krettek Separation in Viersen-Süchteln investiert man in die Zukunft. „Wir bilden einen technischen Produktdesigner und einen Konstruktionsmechaniker aus“, sagt Tobias Krettek (32), Assistenz der Geschäftsführung. Das Unternehmen mit mehr als 30 Mitarbeitern fertigt Hochleistungszentrifugen für die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie an, hat mehrfach Patente angemeldet. „Wir haben bei der Bewerbersuche die Stellenbörse der Industrie- und Handelskammer (IHK) genutzt“, sagt Krettek. 14 Bewerber hätten sich als Produktdesigner gemeldet, vier als Konstruktionsmechaniker. „Die Jugendlichen haben erzählt, dass es weniger Stellen gibt und dass es schwer sei, etwas zu finden“, sagt auch Krettek.
Auch die Zahl der Bewerber ist um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken: Von den 1504 im Kreis Viersen gemeldeten Jugendlichen waren Ende Juni mit 564 noch fast ein Drittel auf der Suche. Ein Problem für sie: „Formate wie Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung, Betriebskontakte, Praktika oder Ausbildungsmessen konnten viele nicht persönlich nutzen“, sagt Michael Becker. Ihnen habe die Kommunikation gefehlt. Darauf hat etwa die IHK reagiert und geplante Azubi-Dating-Termine mit bis zu 40 Firmen in Krefeld und Mönchengladbach in digitale Termine umgewandelt. „Vielleicht machen wir das 2021 wieder“, sagt IHK-Ausbildungsberater Thomas Anft.
Michal Struminski (22) ließ sich von der Corona-Krise nicht beirren. Der Realschüler aus Krefeld hat nach einer Lehre im Einzelhandel Praktika absolviert und suchte eine Ausbildung im Außendienst bei einer Versicherung. Er nahm über dessen Internetseite Kontakt zu Peter Ring (36) auf.
Peter Ring führt seit 2009 eine gleichnamige Bezirksdirektion der Signal Iduna in Viersen. „Michal Struminski hat uns insbesondere durch seine Persönlichkeit überzeugt“, sagt Ring. Der Krefelder habe die Ausbildungsbörse der IHK genutzt, auch ein digitales Assessmentcenter der Iduna-Hauptstelle in Dortmund erfolgreich durchlaufen. „Er ist den schwersten Weg gegangen und hat alle Hürden genommen“, sagt Peter Ring lobend. Jetzt freut sich Struminski auf den Ausbildungsstart. Trotz Corona-Krise.