(busch-) Wer im Kreis Viersen noch in diesem August eine Ausbildung beginnen möchte, hat eine große Auswahl. Von 1660 Lehrstellen, die der für den Kreis Viersen zuständigen Agentur für Arbeit in Krefeld gemeldet waren, sind aktuell erst 713 besetzt.

Mehr als die Hälfte der Lehrstellen sind dagegen noch frei. „Für die Firmen wird es immer schwieriger, Auszubildende zu finden“, so Michael Becker, Sprecher der Krefelder Arbeitsagentur.

Eine Größe, die diesen Mangel im Kreis Viersen verdeutlicht, ist das Verhältnis von Bewerbern zu offenen Stellen. „In diesem Berichtsjahr gibt es im Kreisgebiet eine Bewerber-Stellen-Relation von 1 zu 1,37“, erläutert der Pressesprecher. Das bedeutet: Auf hundert Jugendliche kommen 137 Ausbildungsplätze. Im Vorjahr war dieser Trend zwar bereits erkennbar, fiel aber schwächer aus: Damals kamen auf hundert Bewerber bereits 125 Lehrstellen. Wie Michael Becker erläutert, hat sich seit dem Jahr 2018 aber ein grundleger Wandel hin zum Bewerbermarkt vollzogen. Das heißt: Die Jugendlichen können wählen, wo sie ihren Berufsweg beginnen. Im Jahr 2018 war die Situation noch eine andere: Damals gab es für 100 junge Menschen gerade mal 73 Lehrstellen.

Die meisten Lehrstellen im Kreis Viersen sind für künftige Verkäufer auf dem Markt. Aktuell sind noch 97 frei. Deutlich geringer sind die Nachwuchssorgen bei Kaufleuten für Büromanagement: 51 Ausbildungsplätze sind in diesem Bereich noch unbesetzt, ähnlich fällt die Zahl mit 49 für Kaufleute im Einzelhandel aus oder mit 44 für Fachkräfte in der Lagerlogistik. Ebenfalls noch gesucht werden Dachdecker (33 freie Lehrstellen), angehende Handelsfachwirte sowie Kaufleute im Groß- und Außenhandelsmanagement (jeweils 30) sowie Bäckerei-Fachverkäuferinnen (26).

Trotz der großen Nachfrage sind es gerade auch diese Branchen, in denen bereits viele Ausbildungsplätze vergeben worden. Eine Lehrstelle für Kaufleute im Büromanagement war bei Jugendlichen im Kreis Viersen so oft gewählt, dass sie das Top-10-Ranking der Ausbildungsplätze im Kreis Viersen mit 77 anführt. Auf Platz 2 folgt der Kfz-Mechatroniker (62 Lehrstellen), auf Platz 3 die Kaufleute im Einzelhandel (48 Lehrstellen), auf den Plätzen 8, 9 und 10 liegen, jeweils mit 32 Bewerbern, Anlagenmechaniker (Heizung, Klima, Sanitär), Fachinformatiker und medizinische Fachangestellte.

Die Gründe, warum sich junge Menschen im Kreis bei der Lehrstellensuche noch zurückhaltend zeigen, sind laut Michael Becker vielfältig. Einer davon könne der Einfluss der Eltern sein; sie seien die wichtigsten Ansprechpartner für junge Leute im Berufswahlprozess. „Viele Eltern wollen das Beste für ihr Kind, also auch den höchst möglichen Bildungsabschluss.“ Dabei sei dies, abhängig von den individuellen Möglichkeiten, nicht immer auch die beste Wahl für die Bewerber.

Oft finden Firmen und Nachwuchs nicht zueinander. Ähnlich wie die Agentur für Arbeit will das die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein ändern, etwa über die IHK-Lehrstellenbörse, in der freie Plätze in der Region verzeichnet sind oder Bewerber ihr Profil anlegen können.

„Auf dem Lehrstellenmarkt wird sich noch einiges tun, der Ball ist noch weiter im Spiel“, sagt Michael Becker. Er rechnet damit, dass bis zu den klassischen Startterminen am 1. August oder 1. September im Kreis „noch zahlreiche Lehrstellen besetzt werden“. Alternativen: etwa einen späteren Ausbildungsbeginn oder auch eine Einstiegsqualifizierung über ein Langzeitpraktikum.