Brieftaubenzüchter: Aussterbende Spezies
Probleme mit dem Nachwuchs haben die Brieftaubenzüchter.
Willich. Alle unter 50 sind für sie Jugendliche: Die Gemeinschaft der Willicher Brieftaubenliebhaber hat schon bessere Zeiten erlebt. Als sie vor 30 Jahren gegründet wurde, gehörten ihr etwas mehr als 100 Taubenzüchter an. Aktuell sind es 33. Sehr viel deutet darauf hin, dass sie eine aussterbende Spezies sind.
Artur Dahmen ist mit seinen 78 Jahren der älteste der 33 Züchter. Der Anrather Architekt war 1948 zur Taubenzucht gekommen — auf Anregung des damaligen Anrather Bürgermeisters Josef Brockmanns, der selbst Tauben züchtete. Diesen Tieren hatte der Mann vom Schageshof sein Leben zu verdanken. Dahmen erzählt: „Josef Brockmanns ist wegen seines Hobbys im 2. Weltkrieg Leiter der Heeresbrieftaubenstation in Frankreich geworden. Mit dabei: Willi Bösch, ebenfalls aus Anrath. Sie mussten nicht mit nach Russland mit einem Bataillon, aus dem keiner mehr nach Hause zurückkehren sollte.“
Dahmen erinnert sich daran, wie sein Verein „Gut Flug Anrath“ im Jahre 1954 die größte Jugendgruppe aller Taubenzuchtvereine in Deutschland hatte: Der damalige Lehrer Karl Huppertz hatte mehr als 50 junge Menschen für die Taubenzucht begeistern können, man traf sich in der ehemaligen Volksschule in Clörath. Heute sieht die Realität bei „Gut Flug Anrath“ so aus: Manfred Ascher ist mit seinen 56 Jahren der Jüngste, gefolgt von Edgar Kunst mit 61 Jahren.
Stark verändert hat sich im Laufe der Jahre auch der Speiseplan der Brieftauben: Während früher Mais, Weizen, Roggen und Gerste, also alles, was die heimischen Felder hergaben, gefüttert wurde, vertilgen die Tauben heute Spezialfutter, das fertig verpackt in 265-Kilo-Säcken gekauft wird. Es gibt spezielle Futtermischungen für die Zucht, aber auch für Tauben, die sich in der Mauser befinden oder auf Reisen geschickt werden.
Wer Tauben hält, ist nach wie vor von diesem längst nicht mehr alltäglichen Hobby fasziniert. „Man kann damit sinnvoll die Freizeit füllen“, sagt Edgar Kunst. Und auch die jungen Mitglieder sind begeistert: „Es ist einfach faszinierend“, hat der 44-jährige Gerhard Kemmler von „Fortuna Schiefbahn“ erfahren. Und Stefan Maas (33) aus Alt-Willich hat noch nie ernsthaft daran gedacht, das „nicht so ganz billige Hobby“ aufzugeben. Ein Funken Hoffnung für den Erhalt der Taubenzucht besteht also noch.