Folgen der Pandemie Den Senioren fehlt vor allem die Sicherheit
St. Tönis/Kreis Viersen · Wegen der Corona-Krise sind alte und demenzkranke Menschen oft isoliert. Ein Gespräch mit dem Experten Erich Schützendorf.
Besonders ältere Menschen sind für das Corona-Virus anfällig. Mittlerweile gibt es 23 Todesopfer im Kreis Viersen (Stand Sonntag, 14 Uhr) – insbesondere in Seniorenheimen. Dort gibt es zudem zahlreiche Infizierte. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile Besuche der Bewohner nicht mehr erlaubt sind. Eine Belastung für die Angehörigen, die Mitarbeiter und auch die Bewohner. Von denen nach Angaben der Heime die überwiegende Zahl unter Demenz leidet oder auf dem Weg dorthin ist. Im Gespräch mit dem St. Töniser Erich Schützendorf, der sich fast sein ganzes Leben lang mit dem Themen Älter werden und Demenz beschäftigt, geht die WZ den Fragen nach, inwieweit die Bewohner unter dem Besuchsverbot leiden und was deren Angehörige tun können.
Schützendorf geht davon aus, dass 70 bis 75 Prozent der Altenheimbewohner „demenziell verändert sind“. Dabei sei es wichtig, wie weit sie schon bei ihrer „Reise weg vom Verstand sind“, sagt sei. Je weiter, desto weniger würden sie den Kontakt zu Familienangehörigen vermissen. „Für diese Menschen ist Sicherheit sehr wichtig, und geliebt zu werden“, sagt der 70-Jährige. Das könne durchaus eine Betreuungsperson sein, die sich sowieso schon um die alltäglichen Bedürfnisse des Bewohners kümmere. „Es muss kein leiblicher Angehöriger sein. Da bräuchten Angehörige sich keine Sorgen zu machen oder ein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie nicht mehr zu Besuch kommen können.“ Dem im Seniorenheim wohnenden Vater, der Mutter oder dem Partner könne man aber dessen Lieblingsspeise, Sammelobjekt oder ähnliches zukommen lassen. Das beschere einen Moment der Freude.
Dann gibt es laut Schützendorf noch die Gruppe von Menschen, die leicht desorientiert sind, wo Zeit und Raum beginnen zu verschwinden. „Diese Menschen sind noch in der Lage zu telefonieren“, sagt er. Auch sie würden sich über kleine Lieblingsdinge freuen, die ihnen Sicherheit und Geborgenheit vermitteln würden. Je nach Verfassung seien sie auch in der Lage zu skypen, wenn man ihnen dabei helfe.
Am meisten, so Schützendorf, würden sicherlich diejenigen leiden, die noch recht fit seien. Da wäre das A und O die Zeit. Zeit, in der jemand vorbeikommt, ein paar Worte spricht, etwas mitbringt oder nur da ist. Dies könnten die Angehörigen im Moment nicht aktiv beeinflussen. Aber Kleinigkeiten im Heim abgeben, telefonieren und so weiter. Wenn diese Menschen in Traurigkeit oder „depressive Verstimmtheit“ fielen, weil sie sich alleine gelassen fühlten, täten ihnen Besuche gut. Das müsste dann vom Personal aufgefangen werden. Bereits depressive Heimbewohner würden meist schon medizinisch behandelt.
Schützendorf sagt auch: „Man überschätzt oft, dass ältere Menschen unbedingt viel Kontakt zu anderen brauchen. Viele Menschen ziehen sich auf sich selbst zurück. Sie sind gerne alleine, nicht einsam.“ Sie müssten nicht immer einen sozialen Austausch haben, so seine Erfahrung.