Schlossfestspiele Neersen Neersen sucht den Dichterkönig – und wir doppelt fündig
Neersen. · Zum ersten Mal gab es einen Poetry Slam bei den Schlossfestspielen. Zum Sieger wurden zwei Slammer erklärt.
Die goldfarbene Krone, von Moderator Markim Pause persönlich aus Pappe gebastelt, liegt auf der Bühne im Ratssaal von Schloss Neersen. Sie wartet auf den Dichterkönig oder die Dichterkönigin des Abends. „Poetry Slam“ heißt die moderne Form des Lyrikwettstreits, der Ende der 1980er-Jahre in den USA seinen Anfang nahm und zehn Jahre später die ersten deutschen Großstädte eroberte.
Hauptsächlich junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren tragen seitdem in Kneipen Selbstgeschriebenes, oft in Reim-Form, vor und bekommen dafür vom Publikum Punkte. Es gibt drei Regeln: Die Texte müssen selbstgeschrieben sein, das gesprochene Wort und die Performance stehen im Mittelpunkt, und jeder Poet hat nur sechs Minuten, um das Publikum für sich zu gewinnen. Geslammt wird in drei Runden, am Ende gibt es Ruhm und Ehre für den Sieger. Mittlerweile hat sich die Szene professionalisiert, Slammer werden deutschlandweit für Firmenevents, Jubiläen und Festivals gebucht.
In diesem Jahr ist der Dichterwettstreit auch bei den Schlossfestspielen in Neersen angekommen. Intendant Jan Bodinus hatte die Idee, das Format ins Rahmenprogramm aufzunehmen, und gut 100 Neugierige kamen, um sich überraschen zu lassen. Viele von ihnen sind zum ersten Mal bei einem Poetry Slam, wie die Blitzumfrage des Moderators Markim Pause ergibt. Und anders als bei den Kneipen-Slams sitzen im Ratssaal viele ältere Menschen, um sich die Texte der jungen Leute anzuhören.
Fünf Poeten aus der Region hat Markim Pause eingeladen. Max Raths aus Süchteln beginnt mit einem Text über den Weihnachtsmann, der sich immer mehr ins Abstruse steigert. Dabei gelingt es dem 22-Jährigen, den witzigen Text im Stakkato der Rap-Musik vorzutragen, was bei dem ein oder anderen Zuhörer dazu führt, dass er im Rhythmus mitwippt. Auch der Text „Das Kreatier“, den der junge Mann in der zweiten Runde vorträgt, kommt gut an.
Lukas Knoben aus Aachen gewinnt zunächst mit seinem Text „Ich bin eine Heulsuse“ die Sympathien des Publikums, bevor er in der zweiten Runde einigen Zuhörerinnen mit einem ernsten und mutigen Text über den Alltag eines 80-Jährigen tatsächlich Tränen in die Augen treibt. Der gebürtige Willicher Johannes Floehr, der trotz seiner erst 27 Jahre schon ein Altmeister der Szene ist, macht sich unter anderem Gedanken darüber, ob Gott das Tier Kakadu ironisch gemeint haben könnte, was die Renovierung kostet, wenn man vorher richtig auf den Putz gehauen hat, und wie der Körper reagiert, wenn man Schlaftabletten in Kaffee auflöst.
Marco Jonas Jahn aus Mönchengladbach punktet mit einer Liebeserklärung an ein Dixiklo: „Im See aus Harn bist Du der Fels.“ Die 25-jährige Luca Swieter aus Köln ist die einzige Frau in der Runde, und sie überzeugt nicht nur mit Humor und klaren Ansagen („Wer kein Lebenswerk geschaffen hat, sollte unter möglichst mysteriösen Umständen sterben“), sondern auch mit einer ganz eigenen, sehr souveränen Art, die Texte vorzutragen.
Letztlich aber sind es Lukas Knoben und Johannes Floehr, die von der Jury die meisten Punkte bekommen und sich am Ende des zweistündigen Abends die Dichterkrone teilen. Die Besucher sind sich einig: gerne im nächsten Jahr wieder.