Friedhof St. Tönis Verstorbene umbetten?
St. Tönis · Nach dem Fund einer Wachsleiche auf dem katholischen Teil des St. Töniser Friedhofs Anfang des Jahres steht die Gemeinde im Gespräch mit zahlreichen Angehörigen. Ein Areal mit 400 Gräbern könnte von einer Verwesungsstörung durch zu viel Feuchtigkeit im Boden betroffen sein.
„Die Totenruhe ist unantastbar. Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Verstorbenen.“ Das unterstreicht Bärbel Schulze von der Friedhofsverwaltung der katholischen Pfarrgemeinde St. Cornelius in St. Tönis. Trotzdem muss sie nun Angehörigen von Verstorbenen das Nachdenken darüber zumuten, dass eine Umbettung notwendig werden könnte, wenn die Nutzungszeit für die Grabstelle ausläuft. Der Grund ist ein Wachsleichen-Fund Anfang des Jahres.
Ein Friedhofsmitarbeiter hatte eine Beisetzung vorbereiten wollen. Die Ruhezeit für die vorherige Grabstätte war beendet. Der Mitarbeiter stieß allerdings auf einen nicht vollständig verwesten Leichnam. „Offensichtlich gibt es im östlichen Bereich des katholischen Friedhofs das Problem, dass zu viel Feuchtigkeit im Boden dafür sorgt, dass die Zersetzung nicht in erforderlichem Maße fortschreitet“, so Norbert Vloet vom Kirchenvorstand St. Cornelius in einer Mitteilung, die die Gemeinde am Mittwochabend an die WZ-Redaktion sandte. Es geht um einen Teilbereich mit insgesamt 400 Gräbern. Die Nutzung einer Grabstätte mit Sargbestattung liegt bei 30 Jahren.
Möglicherweise sind sogenannte Lehm-Linsen im Boden der Grund für Staunässe, die zu einer Verwesungsstörung führt. Durch zu viel Wasser in der Tiefe von bis zu zwei Metern wird die Zersetzung der Leiche im Sarg verhindert. Der Ausschluss von Sauerstoff führt zum Abbrechen der Verwesung. Körperfette bilden sich zu einer wachsähnlichen Schutzschicht um.
Nach dem Fund haben Kirchenvorstand und Friedhofsverwaltung von St. Cornelius auch im Austausch mit der städtischen Friedhofsverwaltung nach Lösungen gesucht. Beim Ordnungsamt der Stadt wurde die grundsätzliche Genehmigung von Umbettungen für den betroffenen Bereich eingeholt. In dem betroffenen Teil des Kirchenfeldes sind fortan keine Erd- bzw. Sargbestattungen mehr möglich.
Bärbel Schulze hat sich mit den Angehörigen in Verbindung gesetzt. Vorhandene Grabstätten, deren Nutzungsdauer im nächsten oder übernächsten Jahr auslaufen, „können von den Angehörigen weiter gepflegt werden.“ Das soll der Fall sein bis zu einer geplanten Umgestaltung des Bereichs in fünf Jahren.
Ehepartner, die angedacht hatten, im Falle ihres Todes die Grabstelle als gemeinsame letzte Ruhestätte wählen zu wollen, können und müssen nun überlegen, ob sie in dem Fall einer Umbettung zustimmen. „Wenn es der Wunsch der hinterbliebenen Ehepartner ist, werden wir die beigesetzten Verstorbenen in Würde umbetten“, sagt Schulze. Die Kosten trage die Kirchengemeinde. Es sei auch möglich, den Leichnam nachträglich zu verbrennen und in einem Urnengrab beizusetzen.
Ist eine Umbettung nicht gewünscht, können laut Information der Kirchengemeinde die Grabstätten zunächst erhalten bleiben und von den Angehörigen weiter gepflegt werden, bis der Bereich umgestaltet wird oder das Nutzungsrecht abläuft. Nach Ablauf des Nutzungsrechts werden die Grabstätten eingeebnet. Die Verlängerung des Nutzungsrechtes ist in diesem Bereich nicht mehr möglich. „Auf lange Sicht werden wir die Fläche neu gestalten und dort Urnengrabstätten einrichten“, sagt Norbert Vloet.
In Bezug auf Familiengräber teilt die Kirchengemeinde mit: „Die Hinterbliebenen können eine neue Grabfläche aussuchen. Die laufenden Nutzungsrechte werden auf die neue Grabstätte überschrieben. Die Kosten für die Umbettung übernimmt auch hier die Pfarre. Norbert Vloet bedauert wie auch Bärbel Schulze die Belastung für die Angehörigen sehr. Vloet: „Es ist eine schwierige Situation, aber wir stehen in der Verantwortung, dass die Toten die letzte Ruhe haben, und dem wollen wir nachkommen.“
Auf dem städtischen Teil des St. Töniser Friedhofes ist bisher kein Fund einer sogenannten Wachsleiche bekannt, so Fachbereichsleiter Jörg Friedenberg. Auf dem städtischen Teil befinden sich etwa 3200 Gräber. In einem Grab können je nach Größe mehrere Person bestattet werden. Die zurzeit genutzte städtische Friedhofsfläche ist 41 000 Quadratmeter groß. 5000 Quadratmeter werden als Erweiterungsfläche vorgehalten.
„Die Totenruhe nicht zu stören, ist oberstes Gebot“, so Friedenberg. Normalerweise sei der Verwesungsprozess innerhalb einer Dauer von 25 bis 30 Jahren vollzogen. Eine Umbettung sei ein „höchst sensibles Thema“. Es müsse mit viel Feingefühl angegangen werden. Jörg Friedenberg sieht das Thema bei den Kollegen der katholischen Friedhofsverwaltung in guten Händen.