Vorst. Das hätte es bei uns früher nicht gegeben. Sich einfach aufs Pferd setzen und losreiten. So wie jetzt hier, im Reitstall Fruhen, wo mir Barbara Wermes, staatlich geprüfte Pferdewirtin, ihren 13-jährigen Wallach Renegate einfach so hinstellt.
Renegate holt das auf seine Art nach. Er wendet mir den Kopf zu, stupst mich an, lässt sich die Nase schubbeln und zwischen den Ohren kraulen. Das hat sich nicht geändert.
Dann führt ihn Babsi in Halle. Sie bietet mir sogar ein Stüfchen zum Aufsteigen an, aber das ginge nun wirklich zu weit!
Beherzt fasse ich mit beiden Händen oben an den Sattel, mühe die linke Fußspitze in den Steigbügel, der für mich mindestens auf Bauchnabelhöhe hängt. "Wie groß ist er", frage ich, um das Stöhnen beim Hochziehen in den Sattel geschickt zu verbergen. "165", sagt Babsi, was ich nicht glauben kann. Früher waren Pferde in dieser Höhe viel leichter zu erklimmen.
"Renegate weiß, wer drauf sitzt", beruhigt mich Babsi. Bei Unsicherheit des Reiters wird er langsamer. Das ist nicht unbedingt Mitgefühl, eher Faulheit. Wenn der Reiter nicht korrekt fordert, dann tut er auch schon mal nichts. Im Zweifelsfall eine Lebensversicherung.
Ich fasse nach den Zügeln, ziehe damit den Kopf des Pferdes sanft zur Brust heran und treibe es an. Es macht die ersten Schritte. Zunächst ziemlich steif, dann zunehmend lockerer, Schulter- und Nackenmuskeln arbeiten regelmäßig. Renegate verströmt, wie alle gut gepflegten Pferde, diesen würzigen Duft. Das Lederzeug quietscht leise, ein Geräusch, so edel wie knisternde Seide.
Jedesmal, wenn wir am Ausgang vorbei kommen, hebt Renegate den Kopf. Sieht nach, ob in der Stallgasse etwas los. Er langweilt sich. Babsi sagt: "Sie können ruhig antraben." Mir ist zwar etwas mulmig, genau wie früher, als Herrin der Situation fühle ich mich nicht. Renegate reagiert aber prompt. Leicht traben. Das heißt, dass man sich nur bei jedem zweiten Taktschritt in den Sattel setzt. Den Hintern hebt man immer, wenn der äußere Pferdefuß nach vorne schwingt. Nach nur wenigen Blicken fühle ich diesen Takt wieder.
"Jetzt geht es besser", kommentiert Babsi. Renegate lässt zufrieden den Kopf sinken. Ich reite auf dem Zirkel, Hufschlagfiguren, mein Zügel hat genau die richtige Länge, stört ihn nicht mehr im Maul.
Die ersten Galopphilfen scheitern. Renegate fällt in einen Mitteltrab, wirft mich hoch aus dem Sattel. "Zur Ruhe kommen da oben!" mahnt Babsi. Das habe ich mir früher auch öfter anhören müssen. Aber bis heute weiß ich nicht, wie das geht. Und dann ist es doch wieder schön, im Galopp. Ein toller Rhythmus, ein gutes Gefühl. Auch wenn Babsi mahnt: "Nicht mit dem Oberkörper nach vorne fallen!"
Freizeitpartner Pferd: Den Hauptteil der Arbeit beim Reiten leistet das Pferd. Der Reiter muss nur schonend aber unmissverständlich sagen, wo es langgeht.
Anforderungen: Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen sind seitens des Reiters gefragt, sowie Körperbeherrschung.
Zeitaufwand: Ein Reiter mit eigenem Pferd braucht viel Zeit für sein Hobby. Als Lauftier braucht es täglich Bewegung und persönliche Zuwendung durch Pflegemaßnahmen.