Jazz-Herbst Neersen: Jazz mit viel Platz für nicht endende Soli

Das Reiner Witzel & Ralph Butscher Quartett überzeugt im Neersener Schloss mit Standards und Raritäten.

Neersen. "Sax ohne Ende" versprach der Willicher Organisator Edi Grötzinger zu Beginn des Jazz-Herbstes. Rund 70 interessierte Zuhörer - meist gesetzten Alters - waren ins Neersener Schloss gekommen, um den ersten der drei angesetzten Jazz-Abende zu erleben. Und sie konnten ihn sichtlich genießen. Denn mit dem "Reiner Witzel & Ralph Butscher Quartett" spielte eine Formation, die das Lieblingsinstrument Grötzingers bestens präsentierte, dabei aber auch die anderen Instrumente, die auf der Bühne vertreten waren, nicht im Hintergrund ließ. Vier exzellente Jazz-Musiker standen auf der Bühne. Reiner Witzel zählt zu den herausragenden Altsaxophonisten, was er in dem gut zweistündigen Set unter Beweis stellte. Am Flügel stand Ralph Butscher ihm in nichts nach. Und auch Wolfram Syfuss am Kontrabass zählt in der Jazz-Szene zu den namhaften Spielern seines Instrumentes. Extra-Applaus vor dem ersten Stück erhielt Schlagzeuger Douglas Sides, der noch am Vorabend in Prag aufgetreten war. In der Vergangenheit hat er schon mit Jazz-Größen wie Phil Woods oder Lionel Hampton gespielt.

Musik, die nicht jedermanns Geschmack trifft

Allen Vieren gemein ist, dass sie zumindest über einen längeren Zeitraum gemeinsam in Düsseldorf wohnten, und sich so Witzels Wunsch nach einem Düsseldorfer Jazz-Quartett erfüllte. Was das Publikum mehr interessierte als die Vita der Musiker war die Musik selber. Eine Musik, die nicht jedermanns Geschmack trifft. Wer lieber mitklatschen wollte, wäre denkbar fehl am Platze gewesen. Geklatscht wurde nach gelungenen Soli der einzelnen Musiker. Der ein oder andere schnippte mal mit den Fingern, viele gingen den Rhythmus mit Kopf oder Oberkörper mit. Aber alle genossen das, was ihnen von der Bühne aus präsentiert wurde. Basisdemokratisch war es, wie Reiner Witzel anmerkte. Jeder der vier Musiker konnte seine Wünsche zum beitragen - eigene Stücke, Jazz-Standards oder echte Raritäten. Heraus kam das zweistündige Programm mit Stücken von Charlie Parker, Duke Ellington, Bill Evans oder John Coltrane. Gemeinsam war allen Stücken, dass sie den Musikern genügend Platz ließen, ihr Instrument und ihr individuelles Können ebenso unter Beweis zu stellen wie das Quartett als Ganzes leben zu lassen.

Nach einem Solo gab’s immer wieder reichlich Applaus

Prägend bei allen Stücken natürlich das Saxophon, das planmäßig das Thema des Jazz-Herbstes darstellte. Immer im Vordergrund, hervorragend gespielt von Reiner Witzel, der mit seinem Instrument schier verwuchs. War ein Soli, war ein ganzes Stück verklungen, gab es reichlich Applaus - auch in der Hoffnung, dass das nächste Stück - darunter auch zwei von Witzel selbst komponierte Stücke - wieder mit einem neuen, nicht enden wollenden Solo versehen ist. Das Publikum ließ sich im Schlosskeller richtig fallen, machte sich offen für einen Musikabend der besonderen Art. Sparte nie mit Aufmerksamkeit und noch weniger mit Applaus. "Sax ohne Ende" verspricht noch einiges.