Willich Kino-Knüller kommt auf die Bühne

Mit dem Stück „Ziemlich beste Freunde“ will Festspiel-Intendant Jan Bodinus ein Zeichen für Toleranz setzen.

Foto: Kurt Lübke

Neersen. Was für eine unglaubliche Geschichte: Ein körperlich und seelisch verkümmerter Millionär holt sich einen wilden, respektlosen Sozialhilfeempfänger als Pfleger ins Haus — und aus dem ungleichen Paar werden „Ziemlich beste Freunde“. Der gleichnamige französische Film, der auf Tatsachen beruht, zog 2012 unzählige Kinozuschauer in seinen Bann. Einen ähnlichen Erfolg will jetzt auch Intendant Jan Bodinus erreichen, der den Stoff auf die Bühne der Neersener Schlossfestspiele bringt.

Das Stück passt perfekt in eine Zeit, in der Vorbehalte gegen Flüchtlingen, die in großer Zahl aus dem arabischen Raum nach Deutschland gekommen sind, das gesellschaftliche Klima bestimmen. Wie können scheinbar unüberwindliche Schranken, geformt aus sozialer Herkunft, Bildung, Vermögen, überwunden werden? Wie werden aus völligen Fremden wahre Freunde? Diese Fragen beantwortet die Geschichte auf anrührende, aber auch unglaublich witzige Weise.

Das Stück ist ganz auf seine beiden Hauptfiguren zugeschnitten — für die Darsteller bedeutet das eine große Herausforderung. Jan Bodinus, der auch Regie führt, hat sich daher zwei „Stars“ aus Berlin, vielen bekannt aus Film und Fernsehen, nach Neersen geholt: Matthias Freihof spielt den fast vollständig gelähmten Millionär Philippe und Pierre Sanoussi-Bliss den farbigen Sozialhilfeempfänger Driss.

Freihof bekennt, dass die Darstellung des Gelähmten, der nicht nur im Rollstuhl, sondern auch in einem goldenen Käfig sitzt, ein hartes Stück Arbeit für ihn wird. „Ich rede sonst viel mit den Händen“, sagt er — auf der Bühne darf er aber nur den Kopf bewegen, da dürfe nicht einmal etwas zucken. Nach den Proben laufe er deshalb immer vier Kilometer zu seinem Quartier, „weil ich sonst ’ne Macke kriege“. Nur mit dem Gesicht und der Stimme wird er agieren — was gerade auf der Bühne etwas völlig anderes ist als bei einem Film, wo die Kamera dicht an die Akteure heranfahren kann.

Auch sonst wird das Stück auf der Bühne einige Änderungen erfahren. Schnelle Schnitte, wie sie in der Kino-Fassung zum Beispiel bei einer rasanten Fahrt im Sportwagen durch das nächtliche Paris in Atem halten, werden in Neersen völlig fehlen. Mehr noch: Der Einsatz des Rollstuhls auf der Bühne erfordert „etwas Zeit für Übergänge“, sagt Jan Bodinus.

Fühlt sich Matthias Freihof in seiner Rollengestaltung durch den großen Erfolg des Films beeinflusst? „Ich habe ihn gar nicht gesehen“, sagt der Schauspieler dazu. Sein Kollege Pierre Sanoussi-Bliss schon — doch er hat ihn nach eigenem Bekunden nicht mehr so genau im Kopf.

Was dem 1962 in Berlin geborenen Sohns eines Diplomaten aus Guinea und einer Deutschen offenbar gut gefällt: Seine Rolle ist „wahnsinnig politisch unkorrekt“ — und trägt so maßgeblich dazu bei, die lähmende „political correctness“ zu überwinden.

Sanoussi-Bliss zieht hier Parallelen zum Deutschland der Gegenwart — und ärgert sich über das Versagen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das „die Vielfalt dieser Republik“ nicht zeige, sondern zum Beispiel schwarze oder türkischstämmige Schauspieler nur klischeehaft oder als Problem besetze.

Jan Bodinus möchte in Neersen dazu beitragen, die Trennungen aus den Köpfen und Herzen zu bekommen. Helfen sollen ihm „Ziemlich beste Freunde“, um ein Zeichen für Toleranz und Offenheit zu setzen. Beim Publikum trifft er damit auf einen Nerv: Die Premiere am 18. Juni ist bereits ausverkauft.