Lesetipp aus Tönisvorst Ein Krimi, spannend bis zur letzten Seite

Tönisvorst · Carmen Alonso, die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt unseren Lesern Literaturtipps. Dieses Mal: „Fünf Winter" von James Kestrel.

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Honolulu 1941. Joe McGrady, ein ehemaliger Soldat, der als Ermittler bei der Polizei arbeitet, erhält den Auftrag, einen brutalen Mord aufzuklären: Ein junger Soldat, Neffe des Admirals der Pazifikflotte, wurde mit seiner japanischen Freundin ermordet, vorher gefoltert. McGrady, eher Typ nüchterner Ermittler, findet mit seinem zur Selbstjustiz neigenden Kollegen schnell eine Spur zum möglichen Täter. Aber bevor sie ihn festnehmen können, flieht der nach Hongkong. Der Admiral erreicht jedoch, dass McGrady dem mutmaßlichen Mörder hinterherreisen kann.

Es ist Anfang Dezember 1941. McGrady verabschiedet sich von seiner Freundin, in zehn Tagen soll er zurück sein. Er verfolgt sein Ziel konsequent und findet eine junge Malerin, die im selben Flugzeug wie der vermeintliche Mörder saß und die ein Porträtbild zeichnen kann. McGrady weiß zwar immer noch nicht, wie der Mörder heißt, aber jetzt weiß er, wie er aussieht. Doch es läuft nicht gut für den Polizisten: Kurz vor der Festnahme tappt er in eine raffinierte Falle und wird von der Hongkonger Polizei verhaftet. Dann beginnt das Chaos: Am 7. Dezember überfallen die Japaner Pearl Harbour, besetzen die Inseln im Pazifik, auch Hongkong wird besetzt.

Ein japanischer Diplomat holt
ihn  aus der Gefangenschaft

McGrady gerät in japanische Gefangenschaft. Er bereitet sich auf das Schlimmste vor, aber diesmal hat er Glück: Ein japanischer Diplomat, Onkel der ermordeten Japanerin, holt ihn aus dem Gefangenenlager und versteckt ihn in seinem Haus, in dem er mit seiner erwachsenen Tochter Sachi wohnt. Er möchte, dass der amerikanische Polizist den Krieg überlebt und danach weiter nach dem Mörder seiner Nichte sucht! Über vier Jahre bleibt Joe McGrady versteckt im Haus des Diplomaten, in dieser Zeit bringt Sachi ihm die japanische Sprache, die Kultur und die Sitten des Landes bei. Als der Krieg im Sommer 1945 mit der Kapitulation Japans endet, verlässt er sein Versteck und kehrt nach Honolulu zurück, nicht ohne seinem Retter und Sachi zu versprechen, den Täter zu finden und zu bestrafen.

In den USA jedoch hat man McGrady längst für tot erklärt, seine damalige Freundin ist jetzt mit seinem Kollegen verheiratet, und auch der Fall wurde ungelöst zu den Akten gelegt. Aber es gibt noch McGradys Versprechen. Er rollt auf eigene Faust den Fall wieder auf, kommt einer unglaublichen Spionagegeschichte auf die Spur und ermittelt, dass auch der Mörder noch in Hongkong lebt. Im Dezember 1945 kehrt er nach Hongkong zurück …

Dieser mitreißende, komplexe Roman ist Krimi, Thriller und historischer Roman in einem. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund um das Kriegsgeschehen im Pazifik erzählt der Autor James Kestrel zudem eine fesselnde Geschichte über Liebe, Mut, Entbehrungen und Hingabe. Intelligent, atemberaubend und poetisch. Ja, es gibt ein paar Grausamkeiten, über die ich kleine Krimi-Zimperliese aber schnell hinweggelesen konnte. Denn der Erzählstil des Autors ist nicht reißerisch, sondern sachlich, ohne zu beschönigen, seine Sprache schnörkellos.

Auch sind die Frauenfiguren im Roman erfreulicherweise kein schmückendes Beiwerk, sondern sie tragen maßgeblich zur Lösung des Falles bei: Sie sind emanzipiert und selbstbewusst. „Fünf Winter“ ist ein großer Roman, fesselnder Thriller, erschütterndes Porträt des Krieges und eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte: Ganz großes Kino!

(RP)