Opa geht erst am Ende die Puste aus

Das Ensemble wirbelt in Neersen und duelliert sich aufs Feinste. Doch das Stück trägt nicht bis zu einem sich selbst entfesselnden Schlussapplaus.

Foto: Kurt Lübke

Neersen. „Pause!“ Schauspieler Hartmut Scheyhing alias Max Heitmann, der abgezockte und aufgeblasene Typ Neureich, dem es nicht im Geringsten peinlich ist, einen Cowboyhut wie J.R. Ewing in Dallas zu tragen, verblüfft die Premierenzuschauer am Schloss Neersen. Das Stück „Opa wird verkauft“ hat gerade erst angefangen, gefühlt läuft es längstens seit 20 Minuten. Doch es ist bereits 21.30 Uhr und Zeit fürs Pausengetränk.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Dann lüpfen wir mal an dieser Stelle genau diesen Cowboyhut und sagen „Chapeau!“ Kompliment. Das dritte Hauptstück der 31. Spielzeit hat sich keine Aufwärmphase genommen. Die Schauspieler sind mit dem ersten Dialog von Null auf Hundert. Das Publikum hat nicht eine Sekunde Zeit für abschweifende Gedanken.

Premiere von "Opa wird verkauft"
36 Bilder

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Vor fast ausverkaufter Tribüne hat sich bis dato furios ein Rededuell ins andere hineingeschraubt: Opa, „der Stinkstiefel“, schikaniert jeden, der ihm vor den Spaten oder die Pantoffeln kommt (siehe Kasten: „Darum geht’s“). Die Auftritte der Empörten reißen nicht ab.

Intendantin Astrid Jacob hat ihrem Ensemble ein hohes Tempo vorgegeben. Sie weiß, was es kann. Die Fetzen fliegen, die Texte sitzen, der Schlagabtausch in immer neuen Besetzungen gelingt perfekt. Daher bleibt der Bann ungebrochen. Der Zuschauer sitzt mittendrin in der Familienfehde.

Ein wundervoller Regieeinfall begeistert vor der Pause. Das Ensemble baut mit großer Leichtigkeit, musikalisch unterstützt von den „Toten Hosen“ — komm, wir spielen „Bonnie und Clyde“ — die Bühne um. Mit einigen Handgriffen wird aus dem Bühnenbild „karges Ess-Wohnzimmer auf Erhards verarmtem Hof“ das Neureichen-Ambiente der Heitmanns mit Kuhfellhussen über Esstischstühlen und „Börsenstier vor Skyline-Gemälde“. Der spontane Sonderapplaus geht an Ausstatterin Silke von Patay.

Nach der Pause gehen die Verwicklungen zunächst temporeich weiter, macht vor allem das Spiel des Ehepaars Heitmann - im Stück wie im Leben liiert - mit Opa Vergnügen. Das Ensemble bleibt dran, doch irgendwie trägt das schon oft hoch gelobte Franz-Streicher-Stück nicht bis zu einem sich selbst entfesselnden enthusiastischen Schlussapplaus.

Der Beifall ist zwar lang, von Bravorufen durchsetzt und zurecht sehr freundlich für überzeugende Darsteller in einem Stück der Marke „Ohnsorg“. Aber was könnte dieses leistungsstarke, bestens aufeinander abgestimmte Ensemble nicht alles spielen. Seit dem Zuschauerknick bei der Stückauswahl „Der Gott des Gemetzels“ 2010 geht Neersen mit munteren, sommer-leichten Stücken auf Nummer sicher. Ganz sicher können die Zuschauer sein, einen unterhaltsamen Abend zu erleben.