Personell ist die Grenze erreicht
38 Kinder und Jugendliche aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien werden zurzeit in Deutsch gefördert.
Schiefbahn. Kurt Spee setzt sich mit dem elfjährigen Sadrion vor den komplett bestückten Playmobil-Bauernhof und legt Vokabelblätter aus: Salatkopf, Heu, Kuh — den Bildern soll der Junge die deutschen Wörter zuordnen und dann die italienischen Begriffe dahinter schreiben.
Kurt Spee engagiert sich seit fünf Wochen. Dr. Lucia Verhees kann einen Vormittag in der Woche auf seine Hilfe zählen. Sie ist die einzige hauptamtliche Integrationshilfe-Kraft in der Sprachförderung für Kinder und Jugendliche aus Familien, die nach Deutschland ausgewandert sind oder Zuflucht suchen.
Viele Jahre war Verhees mit ihrem Konzept und Equipment an die Johannessschule Anrath angedockt und wurde dort von Sozialpädagogin Jutta van Amern unterstützt. Nun unterrichtet sie allein am neuen, zentralen Schiefbahner Standort — zurzeit insgesamt, aber nicht zeitgleich 38 Kinder und Jugendliche in einem Klassenzimmer samt Nebenraum und Blick übers Feld.
„Wahnsinn, was Frau Verhees aufgebaut hat“, sagt Spee, der lange im Vorstand des Vereins für Sport und Rehabilitation Willich aktiv war und eine neue Beschäftigung suchte. Er hat den Kontakt über das Freiwilligenzentrum geknüpft. Auch Martina Lorenz aus Willich engagiert sich seit zwei Monaten je zwei Vormittage pro Woche. „Ich wollte sinnvoll helfen“, sagt sie.
„Wir haben das Konzept der Sprachförderung nahezu eins zu eins übernommen“, sagt Eduardo Träger, Leiter der jüngeren der beiden Willicher Gesamtschulen. Mit der räumlichen Unterbringung kann er zufrieden sein. Personell, das sieht auch er aus nächster Nähe, stößt Lucia Verhees trotz Helfer an Grenzen.
Träger erkennt die Belastung, wenn noch mehr Kinder sprachlich gefördert werden müssten. Die Qualität des erfolgreichen Konzepts müsste ohne personelle Aufstockung aufgeweicht werden. „Zurzeit gibt es für jedes Kind einen Förderplan, eng verzahnt mit dem Stundenplan in seiner jeweiligen Klasse.“ Das System sei richtig gut, sagt Träger. Steigen aber die Zahlen weiter, sei möglicherweise eine Zusammenlegung der Kinder und Jugendlichen in einer Gruppe, „in einem Gemisch aus Fremdsprachen“, zu befürchten.
Träger und Verhees hoffen daher, dass am Mittwoch im Schulausschuss der Interfraktionelle Antrag von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP durchkommt: Der Antrag sieht die „Einrichtung einer FSJ-Stelle an der Leonardo da Vinci-Gesamtschule vor“, um dem Bedarf dauerhaft gerecht zu werden. Die Signale sind positiv. Auch die Verwaltung befürwortet den Antrag. Es entstehen laut Vorlage Kosten in Höhe von 9000 Euro. Die bisherige Kraft im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), die den Sprachunterricht in Anrath unterstützt hatte und nun Jugendliche dort betreut, soll ebenfalls bleiben, bis die Hauptschule aufgelöst wird.
Den Bedarf sieht auch Lara Thies, 19. Die Lise-Meitner-Abiturientin macht in Vorbereitung aufs Studium ein Praktikum bei Lucia Verhees. „Die Kinder sind einfach froh, hier zu sein und sind sehr lernwillig.“ Ihre Fortschritte mitzuerleben, mache sie sehr zufrieden, sagt Lara: „Bei mir hat sich gleich ein Gleichberechtigungsgefühl eingestellt, der Wunsch, dass diese Kinder die selbe Chance auf Bildung bekommen wie ich sie hatte.“